23. Kapitel: Die Frauen der
brahmanas, die Opfer durchführten, erlangen Befreiung
Der Morgen verstrich,
und die Kuhhirtenjungen
verspürten großen Hunger, denn sie
hatten noch nicht
gefrühstückt. Sie wandten sich sofort
an Krsna und
Balarama und sagten: "Lieber Krsna, lieber Balarama, Ihr
beide seid allmächtig; Ihr könnt
viele Dämonen töten,
aber heute werden wir von großem
Hunger geplagt, der
uns sehr zuschaffen macht. Deshalb bitten wir Euch, daß
Ihr etwas unternehmt, um unseren Hunger zustillen."
Als Sri Krsna und Balarama die
Bitte Ihrer Freunde
vernahmen, wollten Sie
die Gelegenheit nutzen, um
einigen brahmana-Frauen, deren
Männer gerade Opferzeremonien durchführten, Ihre
Barmherzigkeit zu
erweisen. Diese Frauen waren große
Gottgeweihte, und
um ihnen Seine Segnung zu gewähren,
sagte Krsna:
"Meine lieben Freunde, bitte geht
in die Häuser der
brahmanas, die nicht weit von hier
wohnen. Sie sind
gerade dabei, vedische angirasa-Opfer
durchzuführen,
denn sie wollen zu den himmlischen
Planeten erhoben
werden. Geht bitte alle zu ihnen." Zuvor warnte Sri Krsna
Seine Freunde noch:
"Diese brahmanas sind keine
Vaisnavas; sie können nicht einmal Unsere Namen ,Krsna'
und ,Balarama' chanten. Sie sind
sehr eifrig im Chanten
der vedischen Hymnen, obwohl es der
eigentliche Sinn
des vedischen Wissens ist, Mich zufinden. Sie fühlen sich
jedoch nicht zu Unseren Namen, Krsna
und Balarama,
hingezogen, und deshalb ist es besser, ihr bittet
sie nicht
in Meinem Namen um eine Spende, sondern in Balaramas
Namen."
Spenden
werden
im
allgemeinen den
hochqualifizierten brahmanas gegeben, doch
Krsna und
Balarama waren
nicht in einer
brahmana-Familie
erschienen. Balarama war als Sohn
Vasudevas, eines
ksatriya, bekannt, und Krsna war in
Vrndavana als der
Sohn Nanda Maharajas bekannt, der
ein vaisya war.
Keiner der beiden gehörte also zur
Gemeinschaft der
brahmanas. Krsna
überlegte Sich
daher, daß die
brahmanas, die gerade mit Opferungen beschäftigt waren,
wahrscheinlich nicht dazubewegt werden könnten, einem
ksatriya oder vaisya eine Spende zu
geben. "Aber wenn
ihr den Namen Balaramas erwähnt", sagte Er, "werden sie
vielleicht Ihm als ksatriya eher eine Spende geben als Mir,
der Ich nur ein vaisya bin."
Auf diese Anweisung der Höchsten
Persönlichkeit
Gottes hin begaben sich die Knaben
zu den brahmanas
und baten sie um eine milde Gabe. Sie näherten sich ihnen
mit gefalteten Händen und fielen vor ihnen zu Boden, um
ihnen ihre Ehrerbietungen zu erweisen. "O
Götter auf
Erden", sprachen sie, "bitte vernehmt, was uns Sri Krsna
und Sri Balarama aufgetragen haben. Wir hoffen, daß ihr
die beiden gut kennt, und wir
möchten euch die besten
Segenswünsche ausrichten. Krsna und Balarama hüten in
der Nähe die Kühe, und wir sind Ihre Gefährten. Wir sind
hierhergekommen, um etwas Essen von euch zu erbitten.
Ihr alle seid brahmanas
und kennt die religiösen
Prinzipien, und wenn ihr damit
einverstanden seid, uns
eine Spende zugeben, dann gebt uns bitte etwas Nahrung,
so daß wir zusammen mit Krsna
und Balarama essen
können. Ihr zählt zu den ehrwürdigsten
brahmanas der
menschlichen Gesellschaft, und deshalb
kennt ihr gewiß
auch die Prinzipien religiösen Verhaltens."
Obwohl die Kuhhirtenjungen nur Dorfknaben
waren,
von denen nicht zu erwarten war,
daß sie alle vedischen
Prinzipien religiöser Rituale kannten,
zeigen ihre Worte
doch, daß sie aufgrund des Zusammenseins mit Krsna und
Balarama über all diese Prinzipien Bescheid wußten. Die
Knaben sprachen die
brahmanas als "Kenner aller
religiösen Prinzipien" an, um ihnen dadurch zu verstehen
zu geben, daß sie nun, wo die
Höchste Persönlichkeit
Gottes, Krsna und Balarama, sie um
etwas Essen bitte,
nicht eine Sekunde zögern sollten,
Ihnen dies zu geben,
denn wie in der Bhagavad-gita
gesagt wird, sollte man
yajnas (Opfer) einzig und allein
zur Zufriedenstellung
Visnus darbringen.
Die Jungen sagten weiter: "Sri Visnu
steht als Krsna
und Balarama wartend in der Nähe, und daher solltet ihr
augenblicklich alles geben, was ihr
an Nahrung vorrätig
habt." Sie erklärten den brahmanas
außerdem, wann die
Speisen gegessen werden
können. Im allgemeinen
beteiligen sich die Vaisnavas, die
reinen Geweihten des
Herrn, nicht an gewöhnlichen Opferzeremonien. Dennoch
kennen sie die Riten dieser
Zeremonien, die als diksa,
pasu-samstha und sautramaniya bezeichnet
werden, sehr
gut. Es ist erlaubt, die Speisen nach der diksa-Zeremonie,
aber noch vor der pasu-samstha-, einer Tieropferung, und
der sautramaniya-Zeremonie,
einer Opferung von
alkoholischen Getränken, zu
sich zu nehmen. Die
Kuhhirtenjungen fuhren fort: "Wir können
somit in der
gegenwärtigen Phase der Zeremonie die
Speisen an uns
nehmen, denn das verstößt nicht
gegen die Regeln. Ihr
könnt uns die Speisen also ruhig geben."
Obwohl die Gefährten Sri Krsnas und
Balaramas
einfache Kuhhirtenjungen waren,
befanden sie sich
dennoch in der erhabenen Position,
sogar den hochgestellten brahmanas,
die sich mit
den vedischen
Opferzeremonien befaßten, Anweisungen zugeben. Aber
die smarta-brahmanas, die an nichts
anderes als an ihre
Opferzeremonien dachten, konnten die
Anordnungen der
transzendentalen Geweihten des Herrn
nicht verstehen.
Sie wußten es nicht einmal zu würdigen, daß der Höchste
Herr, Krsna und Balarama, sie
persönlich um etwas bat.
Obwohl sie
alle Argumente
hörten, die die
Kuhhirtenjungen im Namen von Krsna
und Balarama
vorbrachten, kümmerten sie sich nicht
darum und ließen
sich nicht dazu herab, mit den Jungen zusprechen. Solche
nichtgottgeweihten brahmanas, die sich
selbst für sehr
fortgeschritten halten, mögen
im Wissen über die
vedischen Opferriten zwar sehr bewandert sein, doch trotz
alledem sind sie nur Dummköpfe und Ignoranten, und all
ihre Bemühungen sind nutzlos, denn sie kennen das Ziel
der Veden nicht, das in der
Bhagavad-gita erklärt wird,
nämlich Krsna zu verstehen. Trotz ihres
Fortschritts im
vedischen Wissen und in der Durchführung von Ritualen
verstehen sie nicht Krsna, und
daher ist all ihr Wissen
über die Veden oberflächlich. Daher sagte Sri Caitanya —
und Seine Aussage ist maßgeblich —, daß es nicht wichtig
ist, ob ein Mensch in einer
brahmana-Familie geboren
wurde oder nicht. Wenn er Krsna
und die Wissenschaft
des Krsna-Bewußtseins kennt,
ist er mehr als ein
brahmana, und er
besitzt alle Voraussetzungen,
spiritueller Meister zuwerden.
Es gibt
verschiedene Faktoren,
die bei der
Durchführung eines Opfers zu beachten
sind, nämlich
desa, "der Ort", kala, "die Zeit", prthak dravya, "die verschiedenen einzelnen Utensilien", mantra, "die Hymnen",
tantra, "die Aussagen der Schriften", agni, "Feuer", rtvij,
"die gelehrten Vollzieher
von Opfern", devata, "die
Halbgötter", vajamana, "derjenige, der
die eigentlichen
Opfer ausführt", kratu, "das Opfer
selbst", und dharma,
"die Opfervorgänge". All
diese Faktoren sind dazu
bestimmt, Krsna zu erfreuen. Tatsächlich
bestätigen die
Schriften, daß Er der eigentliche Genießer aller Opfer ist,
weil Er die Höchste Persönlichkeit
Gottes, die Höchste
Absolute Wahrheit,
ist —
weit jenseits des
Wahrnehmungs-
und
Spekulationsvermögens der
materiellen Sinne. Als Er auf der Erde erschien, glich Er
einem gewöhnlichen menschlichen
Jungen, und für
diejenigen, die sich mit ihrem Körper identifizieren, ist es
äußerst schwierig, Ihn zu verstehen.
Diese brahmanas
waren vor allem
an Annehmlichkeiten
für ihren
materiellen Körper und am Erreichen
von Orten auf den
himmlischen Planeten, die svarga-vasa
genannt werden,
interessiert. Sie waren völlig unfähig, die Stellung Krsnas
zuverstehen.
Als die
Kuhhirtenjungen erkannten,
daß die
brahmanas nicht gewillt waren, mit
ihnen zu sprechen,
waren sie sehr enttäuscht. Sie kehrten also zu Krsna und
Balarama zurück und berichteten Ihnen,
was geschehen
war. Als die Höchste Persönlichkeit,
Sri Krsna, ihre
Schilderung vernahm, lächelte Er und
sagte, sie sollten
nicht betrübt sein, daß die
brahmanas sie abgewiesen
hätten, denn damit müsse man rechnen, wenn man bettle.
Er machte ihnen klar, daß man,
wenn man Spenden
sammelt oder bettelt, nicht glauben solle, daß man überall
erfolgreich sein könne. Man gehe
manchmal vielleicht
leer aus, aber das solle kein Grund zur Enttäuschung sein.
Sri Krsna bat darauf alle Jungen,
es noch einmal zu
versuchen, aber diesmal bei den Frauen jener brahmanas,
die das Opfer ausführten. Er
verriet ihnen, daß diese
Frauen große Gottgeweihte seien. "Sie
sind immer in
Gedanken an Uns vertieft. Geht zu ihnen und bittet sie in
Meinem Namen und im Namen Balaramas
um etwas zu
essen; Ich bin sicher, daß sie euch so viele Speisen geben
werden, wie ihr begehrt."
Die Kuhhirtenjungen folgten Krsnas Anordnungen
und suchten sogleich die Frauen der brahmanas auf. Als
sie ankamen, saßen die Frauen in
ihren Häusern. Sie
waren mit prächtigem Geschmeide geschmückt. Nachdem
die Jungen ihnen ihre
respektvollen Ehrerbietungen
dargebracht hatten, sagten sie: "Liebe Mütter, bitte nehmt
unsere demütigen Ehrerbietungen entgegen
und schenkt
unseren Worten Gehör. Wisset, daß
Sri Krsna und Sri
Balarama Sich in der Nähe aufhalten. Sie ziehen mit den
Kühen über die Weidegründe, und auf
Ihre Anweisung
hin sind wir nun zu euch gekommen.
Wir sind nämlich
alle sehr hungrig und wollen euch
daher um etwas zu
essen bitten. Bitte gebt uns etwas — für Krsna, Balarama
und für uns."
Sowie die Frauen der brahmanas dies hörten, erwachte
in ihnen Sehnsucht nach
Krsna und Balarama. Sie
reagierten völlig spontan. Sie brauchten gar nicht erst von
der Bedeutung Krsnas
und Balaramas überzeugt zu
werden; sowie sie Ihre Namen hörten, wurden sie begierig
danach, Sie zusehen. Sie waren so fortgeschritten, daß sie
ständig an Krsna
dachten, was die
höchste Form
mystischer Meditation darstellt. Die
Frauen beeilten sich
also, Schüsseln und Töpfe mit den erlesensten Speisen zu
füllen, und weil die Speisen für
die Opferzeremonie bestimmt waren, waren sie
alle äußerst schmackhaft.
Nachdem die
Frauen ein
wahres Festmahl
zusammengestellt hatten, machten sie sich
bereit, zu
Krsna zugehen, den sie über alles liebten; dabei glichen
sie Flüssen, die dem Meer zuströmen.
Lange Zeit schon hatten sich die
Frauen danach
gesehnt, Krsna sehen zudürfen. Als sie sich jedoch fertig
machten, das Haus zu verlassen, wurden
sie von ihren
Ehemännern, Vätern,
Söhnen und
den übrigen
Verwandten aufgefordert, nicht zu gehen. Die Frauen aber
hörten nicht auf sie. Wenn einen
Gottgeweihten die
Zuneigung zu Krsna ruft, kümmert er
sich nicht um
körperliche Bindungen. Die Frauen gingen
also in den
Wald von Vrndavana, der sich
entlang der Yamuna
erstreckt, und dort, in einer
blühenden Pflanzenwelt mit
grünenden Weinranken und farbenprächtigen
Blumen,
erblickten sie Krsna
und Balarama im Kreise
Ihrer
geliebten Freunde.
Die brahmana-Frauen erblickten
Krsna, der ein
Gewand trug, das wie
Gold glitzerte. Er trug
eine
wunderschöne Girlande aus Waldblumen, in Seinem Haar
steckte eine
Pfauenfeder, und dazu
war Er mit
verschiedenen Erdfarben, die man in
Vrndavana finden
kann, bemalt. Auf diese Weise sah
Er aus wie ein tanzender Schauspieler auf einer Theaterbühne. Er hatte eine
Hand auf die Schulter eines Seiner Freunde gelegt, und in
der anderen Hand hielt Er eine Lotosblume. Seine Ohren
waren mit Lilien
geschmückt und Sein
Körper mit
tilaka-Zeichen, und ein anziehendes
Lächeln spielte auf
Seinen Lippen. Die Frauen der
brahmanas sahen mit
eigenen Augen den Herrn, die
Höchste Persönlichkeit
Gottes, von dem sie so viel gehört hatten, der ihnen so lieb
war und bei dem sie ständig in
Gedanken weilten. Nun
sahen sie Ihn direkt von Angesicht
zu Angesicht, und
Krsna trat durch ihre Augen in ihre Herzen ein.
Sie umarmten Krsna zur vollsten
Zufriedenheit ihres
Herzens, und augenblicklich linderte sich der Schmerz der
Trennung. Sie waren wie die großen
Weisen, die durch
ihren Fortschritt im Wissen in die Existenz des Höchsten
eingehen. Als die Überseele, die im
Herzen eines jeden
weilt, konnte Sri Krsna ihre
Gedanken lesen. Sie waren
trotz aller Einwände ihrer Verwandten, Väter, Ehemänner
und Brüder und trotz aller
Haushaltspflichten zu Ihm
gekommen. Sie waren gekommen, nur um Ihn zu sehen,
der ihr Leben und ihre Seele
war. Sie hatten damit auch
Krsnas Anweisung befolgt, der in der Bhagavad-gita sagt,
man solle sich Ihm ergeben und alle Arten beruflicher und
religiöser Pflichten aufgeben. Die Frauen der brahmanas
befolgten also die Anweisungen der
Bhagavad-gita in
vollkommener Weise. Aus diesem Grund
begann Krsna
mit einem erhabenen Lächeln zu ihnen zu
sprechen. In
diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß
weder der
Höchste Herr, Sri Krsna, noch die
einzelnen Frauen ihre
Identität verloren, als Er in ihre Herzen einging und als sie
Ihn umarmten und die transzendentale
Glückseligkeit
erfuhren, mit Ihm eins zu sein. Die
Individualität des
Herrn und die der Frauen blieb
weiterhin bestehen, und
dennoch fühlten sie Einheit in ihrer Existenz. Wenn
sich
eine Geliebte dem Geliebten ohne
Rückhalt unterwirft,
wird dies Einheit genannt. Sri
Caitanya drückte dieses
Gefühl des Einsseins in Seinem
Siksastaka aus: Krsna
kann tun und lassen, was Er
will, aber der Gottgeweihte
muß sich immer in Einheit mit
Ihm befinden, d.h. in
Übereinstimmung mit Seinen Wünschen. Ein Beispiel für
diese Einheit sind die Frauen der
brahmanas in ihrer
Liebe zuKrsna. Krsna begrüßte sie mit folgenden Worten:
"Meine lieben brahmana-Frauen, die ihr
so sehr vom
Glück begünstigt seid, seid willkommen!
Bitte sagt Mir,
was Ich für euch tun kann.
Ihr habt völlig richtig daran
getan, hierherzukommen und
alle Widerstände und
Behinderungen von seiten eurer Väter,
Brüder, Ehemänner und Anverwandten nicht zu
beachten, um Mich
zusehen. Wer in dieser Weise handelt, kennt sein wahres
Selbstinteresse, denn
Mir ohne Motiv
und ohne
Einschränkung
liebevollen
transzendentalen Dienst
darzubringen ist
wahrhaft glückbringend
für alle
Lebewesen."
Sri Krsna bestätigt hier, daß es für die bedingte Seele
die höchste Stufe der Vollkommenheit
ist, sich Ihm
hinzugeben. Man muß
alle anderen Verpflichtungen
aufgeben. Solche bedingungslose Hingabe an die Höchste
Persönlichkeit Gottes ist der glückverheißendste Pfad für
die bedingte Seele, denn Sri Krsna
ist das höchste Ziel
aller Liebe. Letztlich
liebt jeder Krsna, aber
die
Verwirklichung dieser Tatsache hängt davon ab, wie weit
man im Wissen fortgeschritten ist.
Wenn man versteht,
daß das Selbst eine spirituelle Seele ist und daß die Seele
nichts anderes ist als ein winziger
Teil des Höchsten
Herrn, gelangt man zur Erkenntnis, daß der Höchste Herr
das endgültige Ziel der Liebe ist und daß man sich daher
Ihm ergeben muß. Dieses Sichergeben
gilt als wirklich
segensreich für die bedingte Seele.
Unser Leben, unser
Besitz, unser Zuhause, unsere Frau, unsere Kinder, unser
Land, unsere Gesellschaft und alles, was uns lieb ist und
woran wir hängen, sind Erweiterungen
der Höchsten
Persönlichkeit Gottes. Er ist das zentrale Ziel aller Liebe,
denn Er gibt uns alle Glückseligkeit, indem Er Sich Selbst
— entsprechend unseren verschiedenen
Situationen der
körperlichen, mentalen und spirituellen
Existenz — auf
unvorstellbar viele Arten erweitert.
"Meine lieben Frauen der brahmanas",
sagte Krsna
weiter, "ihr könnt nun nach Hause zurückkehren. Helft bei
der Durchführung der Opferungen und
beschäftigt euch
weiterhin im Dienst eurer Ehemänner und im Haushalt, so
daß eure Ehemänner mit euch
zufrieden sind und das
Opfer, das sie begonnen haben, auf
richtige Weise zu
Ende geführt wird. Denn schließlich sind eure Ehemänner
Haushälter, und wie könnten sie
ohne eure Hilfe ihre
vorgeschriebenen Pflichten erfüllen?"
Die Frauen der
brahmanas entgegneten darauf:
"Lieber Herr, eine solche Anweisung schickt sich nicht für
Dich. Du hast das ewige Versprechen
gegeben, Deine
Geweihten zu
beschützen, und Du
mußt dieses
Versprechen halten. Jeder, der zu Dir kommt und sich Dir
ergibt, geht niemals in das bedingte Leben des materiellen
Daseins zurück. Wir erwarten von Dir, daß Du nun Dein
Versprechen erfüllst. Wir haben uns
Deinen Lotosfüßen
hingegeben, die mit tulasi-Blättern
bedeckt sind, und
daher verspüren wir nicht das geringste Verlangen, in den
Kreis unserer sogenannten Verwandten und Freunde oder
in unsere Gesellschaft zurückzukehren und
die Zuflucht
Deiner Lotosfüße aufzugeben. Und was
sollen wir tun,
wenn wir wieder zu Hause sind?
Unsere Ehemänner,
Brüder, Väter, Mütter, Söhne und
Freunde werden uns
nicht wieder aufnehmen, da wir sie bereits alle verlassen
haben. Nirgendwo mehr gibt es für
uns eine Zuflucht.
Bitte schicke uns daher nicht nach Hause zurück, sondern
ermögliche es, daß wir unter Deinen
Lotosfüßen bleiben
und ewig in Deiner Obhut leben können."
Die Höchste Persönlichkeit Gottes
erwiderte: "Meine
lieben Frauen, seid
euch dessen gewiß, daß
eure
Ehemänner euch bei eurer
Rückkehr nicht abweisen
werden und daß eure Väter, Söhne und Brüder sich nicht
weigern werden, euch
wieder in ihre Gemeinschaft
aufzunehmen. Weil ihr Meine reinen
Geweihten seid,
werden nicht nur
eure Verwandten,
sondern alle
Menschen und auch alle Halbgötter
mit euch zufrieden
sein." Krsna weilt im Herzen aller Lebewesen. Daher wird
jemand, der die Stufe der reinen
Hingabe zu Sri Krsna
erreicht, für alle eine Quelle der
Freude. Der reine
Geweihte Sri Krsnas ist
niemals irgend jemandem
feindlich gesinnt. Ein vernünftiger Mensch kann nicht der
Feind eines reinen Gottgeweihten sein.
"Transzendentale
Liebe zu Mir hängt
nicht von einer körperlichen
Beziehung ab", erklärte Sri Krsna
weiter, "denn jeder,
dessen Geist ständig in Gedanken an
Mich vertieft ist,
wird ohne Zweifel sehr bald zu Mir
kommen und ewig
mit Mir zusammensein."
Nachdem die Frauen von der Höchsten Persönlichkeit
Gottes diese Anweisung empfangen hatten,
kehrten sie
nach Hause zu ihren Ehemännern zurück. Die brahmanas,
die sehr froh waren, ihre Ehefrauen
wieder bei sich zu
Hause zu sehen, führten die
Opferzeremonien durch,
indem sie sich, wie es in den
sastras vorgeschrieben ist,
zusammensetzten und gemeinsam die Opfer
darbrachten.
Nach dem vedischen
Prinzip müssen die religiösen
Rituale von Ehemann und Ehefraugemeinsam ausgeführt
werden. Als die Frauen
der brahmanas nun zurückkehrten, konnten
die Opfer vorschriftsgemäß
durchgeführt werden. Eine der brahmana-Frauen jedoch,
die man mit Gewalt daran gehindert
hatte, zu Krsna zu
gehen, versank in der Erinnerung an
Ihn, als sie von
Seiner körperlichen Erscheinung
hörte. Während sie
vollkommen in Gedanken an Ihn
vertieft war, gab sie
ihren durch die Gesetze der Natur
bedingten materiellen
Körper auf.
Sri Govinda, die ewig
glückselige Persönlichkeit
Gottes, offenbarte Seine transzendentalen
Spiele, indem
Er vor den Frauen der brahmanas
wie ein gewöhnlicher
Mensch erschien und die Speisen
genoß, die sie Ihm
dargebracht hatten. Auf diese Weise gewann Er auch die
gewöhnlichen Menschen für das
Krsna-Bewußtsein. Alle
Kühe, Kuhhirtenjungen und
Mädchen in Vrndavana
fühlten sich zu Seinen Worten und zu
Seiner Schönheit
hingezogen.
Nachdem die Frauen, die
Krsna gesehen hatten,
wieder nach Hause zurückgekehrt waren, wurden sich die
brahmanas, die sich mit
der Opferzeremonie beschäftigten, darüber bewußt, daß sie ein großes Vergehen
begangen hatten, und sie bereuten es schwer, daß sie sich
geweigert hatten, der
Höchsten Persönlichkeit Gottes
etwas zu essen zu geben. So sahen
sie schließlich ihren
Fehler ein, nämlich daß sie während
der Durchführung
ihrer vedischen Rituale die Höchste Persönlichkeit Gottes
völlig vergessen hatten, die Sich in einer menschenähnlichen Gestalt auf der Erde aufhielt
und nun zu ihnen
gekommen war, um sie um etwas
Speise zu bitten. Die
brahmanas machten sich große Vorwürfe,
da sie den
Glauben und die Hingabe ihrer
Frauen sahen, die sich
bereits auf der Ebene
des reinen hingebungsvollen
Dienstes befanden, wohingegen sie selbst
nicht im ge
ringsten wußten, wie man die
Höchste Seele verstehen
und Ihr in Liebe dienen kann. "Was ist der Nutzen unserer
brahmanischen Herkunft?" klagten sie
alle. "Was ist der
Nutzen unseres Studiums der vedischen
Schriften? Was
nützen uns alle Opferungen, Regeln und Vorschriften, die
wir befolgen? Zur Hölle damit! Zur
Hölle mit unserer
Familie! Zur Hölle mit unserer
Fachkundigkeit bei der
Durchführung von Ritualen, die wir genau
nach den
Beschreibungen der Schriften zelebrierten!
Zur Hölle
damit, denn all dies konnte uns
nicht helfen, Liebe und
Hingabe zur
Höchsten Persönlichkeit
Gottes zu
entwickeln, die Sich jenseits unserer
Spekulationen und
jenseits der Begrenztheit unseres
Verstandes, unseres
Körpers und unserer Sinne befindet."
Die Klagen der gelehrten brahmanas,
die sich in der
Ausführung vedischer Zeremonien
genau auskannten,
waren durchaus berechtigt, denn solange
man durch die
Ausübung religiöser Pflichten
kein Krsna-Bewußtsein
entwickelt, verschwendet man nur kostbare
Zeit und
Energie. Die brahmanas fuhren fort: "Die äußere Energie
Krsnas ist so mächtig, daß sie
sogar die größten mystischen yogis in Illusion versetzt. Und so wurden auch wir
von dieser äußeren
Energie getäuscht, obwohl wir
brahmanas als die
Lehrer der
anderen Gesellschaftsklassen angesehen werden. Doch seht nur, wie sehr
dagegen unsere Frauen vom Glück
gesegnet sind! Sie
haben ihr Leben völlig
der Höchsten Persönlichkeit
Gottes, Sri Krsna,
geweiht und konnten
daher mit
Leichtigkeit ihre Familienverbindungen
aufgeben, was
gewöhnlich äußerst schwierig
ist. Das Familienleben
gleicht einem dunklen Brunnen, in
dem man gezwungen
ist, die leidvolle materielle Existenz fortzusetzen."
Weil Frauen im allgemeinen ein
einfaches Gemüt
besitzen, fällt
es ihnen nicht
schwer, sich dem
Krsna-Bewußtsein zuzuwenden. Wenn sie dann Liebe für
Krsna entwickeln, können sie sehr
leicht aus der Gewalt
mayas befreit werden, was selbst
für die sogenannten
intelligenten und gebildeten Menschen
äußerst schwierig
ist. Die vedischen Schriften erlauben es den Frauen nicht,
durch die Reinigungszeremonie und die
anschließende
Übergabe der heiligen Schnur eingeweiht zuwerden oder
als brahmacarinis im asrama des spirituellen Meisters zu
leben. Es wird
ihnen nicht
geraten, sich harten
Entsagungen zu unterziehen, und sie sind
auch nicht in
der Lage, über die Philosophie der
Selbstverwirklichung
zu sprechen; dazu kommt, daß sie von
Natur aus nicht
sehr rein sind und
sich auch nicht
sonderlich zu
glückverheißenden Tätigkeiten hingezogen fühlen. "Ist es
deshalb nicht umso
wundervoller, daß sie trotzdem
transzendentale Liebe zu
Krsna, dem Herrn
aller
mystischen yogis, entwickelten?" riefen
die brahmanas
aus. "Sie haben uns durch ihren festen Glauben und ihre
Hingabe an Krsna weit übertroffen. Obwohl man uns als
die Meister aller Reinigungsvorgänge
ansieht, hatten wir
das eigentliche Ziel vergessen, da
wir zu materialistisch
waren. Obwohl uns die Kuhhirtenjungen
an Krsna und
Balarama erinnerten, haben wir Sie
nicht beachtet. Es
kann daher nur eine barmherzige List des Höchsten Herrn
gewesen sein, als Er Seine Freunde
mit dem Auftrag
hierherschickte, uns um etwas Speise zu
bitten, denn
eigentlich braucht Krsna niemanden um
Essen zu bitten.
Schon Sein Wille hätte ausgereicht,
den Hunger der
Jungen augenblicklich zustillen."
Es wird gewiß Menschen geben, die
nicht glauben
wollen, daß Krsna in Sich Selbst
vollkommen ist, wenn
sie hören, daß Er Kühe hütete,
um für Seinen Lebensunterhalt zu sorgen, und solche
Menschen werden
auch bezweifeln, daß Krsna kein Essen benötigte, weil sie
denken, Er sei tatsächlich hungrig
gewesen. Sie wissen
nicht, daß selbst die Glücksgöttin Seine ewige Dienerin ist
und daß sie in
Seiner Gegenwart ihre schlechte
Angewohnheit, unstet und rastlos zu sein,
ablegt. Dies
wird in den vedischen Schriften, wie zum Beispiel in der
Brahma-samhita, bestätigt, wo es heißt,
daß Krsna in
Seinem Reich nicht nur von einer,
sondern von vielen
Tausenden von Glücksgöttinnen mit großem Respekt verehrt wird. Daher ist es ein Fehler zudenken, Krsna habe
bei den brahmanas um
Speisen gebettelt. Es war
tatsächlich nur eine List, mit der Er ihnen
zeigen wollte,
was für eine Gnade
es bedeutet, Ihn in
reinem
hingebungsvollen Dienst verehren zu dürfen.
Alles, was
zu einer vedischen Zeremonie gehört —
der geeignete
Ort, der
richtige Zeitpunkt,
die verschiedenen
Gegenstände der Opferzeremonie, die Hymnen, die dabei
gechantet werden,
der Priester, dem
die richtige
Durchführung obliegt, das Opferfeuer und die Halbgötter,
derjenige, der das Opfer darbringt,
sowie die religiösen
Prinzipien, die dabei eingehalten werden —, all dies sind
Hilfen, um Krsna, die Höchste
Persönlichkeit Gottes, zu
verstehen. Er ist der Höchste Herr,
Sri Visnu, und der
Meister aller mystischen yogis.
Die brahmanas fuhren fort: "Weil Krsna als ein Kind
in der Dynastie der Yadus erschien, waren wir so dumm,
daß wir nicht
erkannten, daß Er
die Höchste
Persönlichkeit Gottes ist. Auf der
anderen Seite aber
können wir stolz darauf sein, solch
erhabene Frauen zu
haben, die reinen hingebungsvollen Dienst
zum Herrn
erlangten, ohne sich dabei durch unseren
vehementen
Widerstand hindern zu lassen.
Laßt uns nun den
Lotosfüßen
Sri
Krsnas
unsere respektvollen
Ehrerbietungen darbringen, durch dessen
illusionierende
Energie, maya, wir in fruchtbringende Tätigkeiten vertieft
sind. Deshalb beten wir zum Herrn, Er möge so gütig sein
und uns vergeben. Wir waren von Seiner äußeren Energie
verwirrt und mißachteten deshalb Seine
Anweisungen,
ohne Seine transzendentale Herrlichkeit zukennen."
Die brahmanas bereuten ihr sündiges
Verhalten, und
sie wollten ebenfalls zu Krsna gehen, um Ihm persönlich
ihre demütigen Ehrerbietungen zu erweisen,
aber aus
Furcht vor Kamsa wagten sie es
nicht. Mit anderen
Worten, es ist sehr schwierig, sich
dem Höchsten Herrn
hinzugeben, ohne
durch hingebungsvollen Dienst
gereinigt worden zu sein. Das Beispiel
der gelehrten
brahmanas und ihrer Frauen macht
dies sehr deutlich.
Weil die
Frauen der
brahmanas in reinen
hingebungsvollen Dienst vertieft waren,
gab es für sie
keine Hindernisse, und sie gingen ohne Zögern zu Krsna.
Die brahmanas erkannten
zwar die Oberhoheit des
Höchsten Herrn an und bereuten ihre Fehler aber weil sie
zu sehr an fruchtbringenden Tätigkeiten hafteten, konnten
sie ihre Furcht vor König Kamsa nicht überwinden.
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 23. Kapitel des Krsna-Buches:
"Die Frauen der brahmanas, die Opfer durchführten, erlangen Befreiung".