Nachdem Krsna die Einwohner von
Vrndavana vor
dem Zorn Indras
gerettet hatte,
indem Er den
Govardhana-Hügel hochhob,
geschah es, daß
eine
surabhi-Kuh aus Goloka-Vrndavana vor Ihn
trat, gefolgt
von Indra, dem König der
himmlischen Planeten. Weil
sich König Indra bewußt war, daß er Krsna gegenüber ein
großes Vergehen begangen hatte, trat
er nun in aller
Heimlichkeit an einem abgeschiedenen Ort vor Krsna hin.
Er trug eine Krone, die wie
die Sonne leuchtete und
funkelte, aber dennoch warf er sich
sogleich vor Krsnas
Lotosfüßen nieder.
Indra kannte
Krsnas erhabene
Position, denn Krsna ist der Herr
von Indra, doch er
konnte sich nicht vorstellen, daß
Krsna erschienen war,
um in Vrndavana unter Kuhhirten zu
leben. Als Sich
Krsna der Autorität Indras widersetzte,
war Indra sehr
zornig geworden, denn er hatte geglaubt, daß er in diesem
Universum der Größte sei und daß niemand ihn an Macht
übertreffe. Aber
nach diesem
Ereignis war seine
hochmütige und anmaßende Meinung über
sich selbst
erschüttert worden. Da Indra sich bewußt war, daß er sich
in einer untergeordneten Stellung befand, erschien er mit
gefalteten Händen vor
Krsna und brachte Ihm
die
folgenden Gebete dar. "Mein lieber Herr", sagte Indra, "in
meiner Selbstherrlichkeit war mir meine
Macht zu Kopf
gestiegen, und ich fühlte mich zutiefst beleidigt, weil Du
die Kuhhirten
davon abhieltest,
den Indra-yajna
durchzuführen. Dazu dachte ich auch noch,
daß Du die
Opferungen, die für die Zeremonie
bereitgestellt worden
waren, selbst genießen wolltest. Ich dachte, daß Du mich
unter dem Vorwand eines Govardhana-yajna
um meinen
Opferanteil bringen wolltest, und so
verkannte ich in
meiner Verblendung Deine Herrlichkeit.
Durch Deine
Gnade jedoch kann ich Dich nun als den Höchsten Herrn,
die
Persönlichkeit
Gottes,
erkennen,
der Du
transzendental zu allen materiellen
Eigenschaften bist.
Deine transzendentale Stellung ist
visuddha-sattva, das
heißt, sie befindet sich über der
Ebene der materiellen
Erscheinungsweise der Tugend, und Dein
transzendentales Reich liegt weit jenseits des störenden Einflusses der
materiellen Erscheinungsweisen. Dein Name, Dein Ruhm,
Deine Gestalt, Deine Eigenschaften und
Deine Spiele
befinden sich also alle jenseits der materiellen Natur, und
sie werden
nie durch
die drei
materiellen
Erscheinungsweisen beeinträchtigt. Dein Reich
kann nur
von jemandem erreicht
werden, der sich schwere
Entsagungen und Bußen auferlegt
hat und der vom
Ansturm materieller Einflüsse
wie Leidenschaft und
Unwissenheit vollständig befreit ist. Wer
glaubt, daß Du
den
Erscheinungsweisen
der
materiellen Natur
unterworfen bist, wenn Du in dieser
materiellen Welt
erscheinst, befindet sich im Irrtum.
Das Netzwerk der
materiellen Einflüsse ist niemals in
der Lage, Dich zu
berühren, genauso wie Du ihnen niemals unterliegst, wenn
Du in dieser Welt erscheinst und gegenwärtig bist. Du, o
Herr, wirst niemals von den
Gesetzen der materiellen
Natur beschränkt.
Mein lieber Herr, Du bist der ursprüngliche Vater der
kosmischen Manifestation. Du bist der höchste spirituelle
Meister, und Du bist der ursprüngliche
Besitzer aller
Dinge. In Deinem Aspekt als ewige
Zeit läßt Du allen
sündhaften Lebewesen ihre Bestrafung
zukommen. In
dieser materiellen Welt gibt es
viele Dummköpfe wie
mich, die sich
einbilden, daß ihnen im
Universum
niemand gleichkommt, oder die sich sogar für Gott halten.
Du jedoch bist so barmherzig, daß Du sie nicht bestrafst,
sondern Mittel und Wege findest,
diese Vermessenheit
von ihnen zu nehmen, so daß sie
verstehen können, daß
Du allein die Höchste Persönlichkeit Gottes bist.
Mein lieber Herr, Du bist der
höchste Vater, der
höchste spirituelle Meister
und der höchste König.
Deshalb hast Du das Recht, jedes Lebewesen zu bestrafen,
wenn es sich unangemessen verhält. Ein Vater will immer
nur das Beste für seine Söhne, und
ebenso will auch ein
spiritueller Meister oder ein Staatsoberhaupt nur das Beste
für seine Schüler bzw. für seine Bürger. Deshalb steht es
ihnen auch zu, ihre Schutzbefohlenen
zurechtzuweisen.
Du erscheinst gemäß Deinem eigenen Wunsch in Deinen
ewigen glückverheißenden Formen auf der Erde, um den
ganzen Planeten zu verherrlichen und
insbesondere um
die Menschen zu bestrafen, die sich
fälschlich für Gott
ausgeben. In der materiellen Welt herrscht zwischen allen
Lebewesen ein ständiger Kampf um die Vormacht und die
Stellung eines Führers ihrer Gesellschaft, und Menschen,
die in ihrem Bemühen, höchste Ämter
und Ehren zu
erlangen, gescheitert sind, behaupten dann aufgrund ihrer
Torheit, sie seien Gott, die
Höchste Persönlichkeit. In
dieser materiellen Welt
gibt es leider viele
solche
törichten Lebewesen, zu denen auch ich gehöre; doch im
Laufe der Zeit, wenn sie zur Vernunft kommen, ergeben
sie sich Dir und nehmen wieder das richtige Verhalten an,
indem sie Dir hingebungsvollen Dienst
darbringen. Nur
aus diesem Grund bestrafst Du diejenigen,
die neidisch
auf Dich sind.
Mein lieber Herr, ich beging ein
großes Vergehen
gegen Deine
Lotosfüße, als
ich aufgrund meines
materiellen Reichtumes hochmütig
wurde und Deine
unbegrenzte Macht verkannte. Deshalb, o
Herr, verzeih
mir gütigerweise, denn ich bin ein
Dummkopf ersten
Ranges. Sei mir barmherzig und gewähre
mir Deine
Segnungen, damit ich nicht noch
einmal eine solche
Dummheit begehe. Solltest Du jedoch mein Vergehen für
zuschwer erachten, als daß Dues entschuldigen könntest,
o Herr, so möchte ich demütig darauf hinweisen, daß ich
trotz allem Dein ewiger Diener bin; Du erscheinst in der
materiellen Welt, um Deine ewigen Diener zu beschützen
und die Dämonen zu vernichten, die
große Streitheere
besitzen und für die ganze Welt
eine unerträgliche Last
darstellen. Ich bin
Dein ewiger Diener —
sei mir
barmherzig und verzeihe mir. Mein
lieber Herr, Du bist
die Höchste Persönlichkeit Gottes. Ich
bringe Dir meine
achtungsvollen Ehrerbietungen dar, denn Du
bist die
Höchste Person und die Höchste Seele. Du bist der Sohn
Vasudevas, der Höchste Herr, Krsna,
und Du bist der
Meister aller reinen Gottgeweihten; bitte akzeptiere meine
demütigsten Ehrerbietungen im Staub
Deiner Lotosfüße.
Du bist die Personifikation des höchsten Wissens, und Du
kannst ganz nach Deinem Belieben zu
jeder Zeit in
irgendeiner Deiner ewigen Formen erscheinen. Du bist die
Wurzel der gesamten
Schöpfung, und Du bist die
Überseele aller Lebewesen.
Aufgrund meiner tiefen
Unwissenheit habe
ich schwere
Regenfälle und
Hagelstürme nach Vrndavana geschickt, die
dort großen
Schaden anrichteten. Ich wurde von
blindem Zorn getrieben, denn ich konnte es nicht
ertragen, daß Du das
Opfer verhindertest, das zu
meiner Zufriedenstellung
bestimmt war. Trotzdem, o Herr,
warst Du so gütig zu
mir, daß Du mich mit Deiner
Barmherzigkeit gesegnet
hast, indem Du meinen falschen Stolz
brachst. Deshalb
suche ich bei Deinen Lotosfüßen Zuflucht.
Mein lieber
Herr, Du bist nicht nur der höchste
Kontrollierende,
sondern auch der spirituelle Meister aller Lebewesen."
Sri Krsna, die Höchste Persönlichkeit Gottes, lächelte
sanft, als Er so von Indra
gepriesen wurde, und Er
erwiderte: "Mein lieber Indra, Ich habe das Opfer, das zu
deinen Ehren hätte stattfinden sollen, unterbunden, um dir
Meine grundlose Barmherzigkeit zu erweisen
und Dich
daran zuerinnern, daß ich Dein ewiger Meister bin. Aber
Ich bin nicht nur dein Meister, sondern auch der Meister
aller anderen Halbgötter. Du solltest dir immer vor Augen
halten, daß du all deine materiellen Reichtümer nur durch
Meine Barmherzigkeit erhalten hast. Jeder sollte sich stets
daran erinnern, daß Ich der Höchste Herr bin. Ich kann jedem Meine Gunst erweisen und jeden
bestrafen, denn
niemand steht über Mir. Wenn Ich sehe, daß jemand von
falschem Stolz befallen
ist, zeige Ich ihm Meine
grundlose Barmherzigkeit, indem Ich
seinen gesamten
Reichtum verschwinden lasse." Es ist bemerkenswert, wie
Krsna einem Menschen
manchmal allen Reichtum
fortnimmt, um ihm
dadurch zu helfen, sich Ihm
vollkommen hinzugeben. Dies ist eine besondere Segnung
des Herrn. Manchmal kommt es vor, daß ein Mensch, der
materiell sehr wohlhabend ist, in
Armut gerät, wenn er
sich im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigt. Es
wäre jedoch falsch, daraus zuschließen, man würde zum
Bettler, nur weil man dem Höchsten
Herrn dient. Die
wirkliche Erklärung
lautet, daß der
Herr einem
aufrichtigen
Gottgeweihten, der
aufgrund einer
Fehlauffassung immer
noch die
materielle Natur
beherrschen will, Seine besondere
Barmherzigkeit zeigt,
indem Er ihm allen materiellen
Reichtum wegnimmt, so
daß er sich schließlich dem
Höchsten Herrn gänzlich
hingibt. Als Sri Krsna Indra auf diese Weise unterwiesen
hatte, bat Er ihn, in sein Königreich auf den himmlischen
Planeten zurückzukehren, und Er riet ihm, künftig immer
daran zu denken, daß er niemals die
höchste Stellung
innehabe, sondern stets
der Höchsten Persönlichkeit
Gottes untergeordnet sei.
Er könne weiterhin der
Himmelskönig bleiben, aber er solle
achtsam sein und
nicht noch einmal seinem Hochmut zum Opfer fallen.
Alsdann brachte die transzendentale surabhi-Kuh, die
zusammen mit Indra vor Sri Krsna
erschienen war, dem
Herrn ihre achtungsvollen
Ehrerbietungen dar und
verehrte Ihn: "Mein lieber Herr,
Sri Krsna", betete sie,
"Du bist der mächtigste aller mystischen
yogis, weil Du
die Seele des gesamten Universums
bist, und von Dir
allein ist diese kosmische Manifestation
ausgegangen.
Deshalb hast Du meinen Abkömmlingen, den
Kühen in
Vrndavana, Deinen Schutz gewährt, obwohl
Indra alles
versuchte, um sie zu töten; und Du
hast sie alle auf
wunderbare Weise beschützt. Nur Du allein
bist unser
Höchster Herr, und wir
werden niemals bei den
Halbgöttern oder irgendwelchen
anderen Gottheiten
Schutz suchen. Du bist deshalb unser
Indra, Du bist der
höchste Vater des gesamten Kosmos, und Du, o Herr, bist
der Beschützer und wohlmeinende Freund der Kühe, der
brahmanas und der Halbgötter sowie
all derjenigen, die
Deine reinen
Geweihten sind. O
Überseele des
Universums, bitte erlaube uns, Dich
in unserer Milch zu
baden, denn Du bist unser Indra. O
Herr, Du erscheinst
nur, um die Welt von der Last aller unreinen Handlungen
zu befreien."
Und so wurde Krsna mit der
Milch der surabhi-Kuh
gebadet, und
Indra wurde mit
dem Wasser des
himmlischen Ganges gebadet, das sein
Trägerelefant mit
dem Rüssel über ihn sprühte. Danach brachten Indra, der
Himmelskönig, und viele
surabhi-Kühe sowie alle
anderen Halbgötter und deren Mütter
dem Herrn, Sri
Krsna, ihre Verehrung dar, indem sie Ihn mit dem Wasser
des Ganges und der Milch der surabhi-Kühe badeten. Auf
diese Weise war Govinda, Sri Krsna,
mit ihnen allen
zufrieden. Die Bewohner der höheren
Planetensysteme,
wie Gandharvaloka, Vidyadharaloka,
Siddhaloka und
Caranaloka, versammelten sich und begannen, den Herrn
durch das Chanten
Seines Heiligen
Namens zu
verherrlichen, während ihre Frauen
zusammen mit den
himmlischen Mädchen voller
Glückseligkeit tanzten.
Ebenso bereiteten sie Krsna große Freude, indem sie alle
einen kaum enden
wollenden Blumenschauer vom
Himmel regnen
ließen. Nach
dieser freudvollen
Zeremonie, als sich alles wieder in
schönster Harmonie
befand, überfluteten die Kühe die Erdoberfläche mit ihrer
Milch, und die Flüsse folgten
wieder ihrem gewohnten
Lauf und bewässerten das Land, so daß die Bäume saftige
Früchte trugen und überall
farbenprächtige Blumen mit
einer Vielfalt von Düften hervorsprossen. Von den Ästen
der Bäume tropfte Honig, und die Hügel und Berge ließen
die wirksamsten Heilkräuter und herrliche Edelsteine zum
Vorschein kommen. Weil
Krsna gegenwärtig war,
herrschte überall eine glückbringende
Atmosphäre, und
die niederen Tiere, die gewöhnlich
boshaft sind, waren
nicht mehr länger boshaft. Nachdem
König Indra auf
diese Weise Krsna, der der Herr der Kühe von Vrndavana
ist und der auch Govinda genannt wird, zufriedengestellt
hatte, kehrte er mit Krsnas Erlaubnis in sein himmlisches
Reich zurück, und Er wurde von
den verschiedensten
Halbgöttern, die sich um ihn
geschert hatten, durch das
Weltall begleitet. Diese eindrucksvolle Begebenheit zeigt
deutlich, wie segensreich das
Krsna-Bewußtsein für die
ganze Welt ist. Sogar die niederen
Tiere vergessen ihre
Boshaftigkeit und
erlangen die
Eigenschaften von
Halbgöttern.
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 27. Kapitel des Krsna-Buches:
"Die Gebete des Himmelskönigs Indra".