84. Kapitel: Sri Krsna unterweist
Vasudeva im spirituellen Wissen und bringt Devaki ihre sechs toten
Söhne zurück
Es ist ein vedischer
Brauch, daß die jüngeren
Mitglieder der Familie jeden Morgen
den älteren ihre
Achtung erweisen. Insbesondere
die Kinder und die
Schüler sind gehalten, am Morgen
den Eltern bzw. dem
spirituellen Meister ihre Ehrerbietungen
darzubringen.
Auch Sri Krsna und Balarama pflegten
entsprechend
diesem vedischen Prinzip ihrem Vater
Vasudeva und
seinen Frauen ihre Ehrerbietungen zu
erweisen. Als Sie
eines Tages,
nachdem sie alle
wieder von den
Opferzeremonien in Kuruksetra
zurückgekehrt waren,
Ihrem Vater Vasudeva Ihre Ehrerbietungen
darbrachten,
ergriff dieser die Gelegenheit und
pries die Erhabenheit
seiner beiden
Söhne. Vasudeva
hatte bereits die
Möglichkeit bekommen, den großen Weisen,
die sich an
der Opferstätte versammelt hatten,
zuzuhören und so
Krsnas und Balaramas hohe Stellung zu verstehen. Doch
er hatte dies nicht nur von den Weisen gehört, sondern er
hatte es bei vielen Gelegenheiten
bereits selbst erfahren,
daß Krsna und Balarama keine gewöhnlichen Menschen,
sondern höchst außergewöhnliche Persönlichkeiten waren.
Deshalb hatte er auch den Worten
der Weisen Glauben
geschenkt, als diese sagten, daß
seine Söhne, Krsna und
Balarama, die Höchste Persönlichkeit Gottes seien.
Mit festem Glauben an seine Söhne sagte er zu Ihnen:
"Mein lieber Krsna, Du bist die
Höchste Persönlichkeit
Gottes, sac-cid-ananda-vigraha, und Du,
mein lieber
Balarama, bist Sankarsana, der Meister
aller mystischen
Kräfte. Heute nun verstehe ich, daß
Ihr ewig seid. Ihr
beide seid transzendental zur materiellen
Manifestation
und ihrer Ursache, der Höchsten Person,
Maha-Visnu. O
mein Herr, Du bist der
ursprüngliche Beherrscher aller
Dinge; Du bist der Ruheort der kosmischen Manifestation;
Du bist der Schöpfer und sogleich
die zur Schöpfung
notwendigen Bestandteile. Du
bist der Meister der
kosmischen Manifestation, die im Grunde
nur für Deine
Spiele geschaffen wurde."
"Du bist ebenfalls die
verschiedenen Phasen des
materiellen Kosmos, die sich von
seinem Anfang bis zu
seinem Ende unter den verschiedenen
Formeln der Zeit
manifestieren, denn Du bist sowohl die Ursache als auch
die Wirkung dieser Manifestation. Die beiden Aspekte der
materiellen Welt, nämlich
der Herrscher und das
Beherrschte, bist ebenfalls Du, der
Du als der höchste
transzendentale Kontrollierende
über diesen Aspekten
stehst;
daher
entziehst
Du
Dich dem
Wahrnehmungsvermögen unserer Sinne.
Du bist die
Höchste Seele, die ungeboren und
unwandelbar ist. Du
wirst nicht von den sechsfachen
Wandlungen betroffen,
die im materiellen Körper stattfinden.
Die wunderbare
Vielfalt in der materiellen Welt
wurde ebenfalls von Dir
geschaffen, und als Überseele bist Du in jedes Lebewesen
und selbst in die Atome eingegangen. Du bist der Erhalter
alles Bestehenden."
"Die Lebenskraft, die als das
Lebensprinzip in allem
wirkt, und die Schaffenskraft, die von ihr ausgeht, wirken
nicht selbständig, sondern sind von
Dir, der Höchsten
Person hinter diesen Kräften, abhängig.
Ohne Deinen
Willen können sie nicht arbeiten.
Die materielle Energie
hat kein Bewußtsein, und sie kann
nicht unabhängig
wirken, das heißt ohne von Dir
in Bewegung gesetzt
worden zu sein. Weil die materielle
Natur von Dir
abhängig ist, können die Lebewesen
lediglich versuchen
zu handeln, doch sie sind nicht fähig, ohne Dein Einverständnis und Deinen Willen irgend etwas zu unternehmen
oder das gewünschte Ergebnis ihrer
Bemühungen zu
erlangen."
"O mein Herr, die ursprüngliche
Energie ist nichts
weiter als eine Deiner Emanationen.
Der Schein des
Mondes, die Hitze des Feuers, die Strahlen der Sonne, das
Leuchten der Sterne und der
elektrische Blitz, der mit
durchdringender Stärke niederfährt, sowie
das Gewicht
der Berge, die Energie der Erde und die Eigenschaft ihres
Duftes - dies alles sind
verschiedene Manifestationen
Deiner selbst. Der reine Geschmack des
Wassers und die
Kraft, die alles Leben erhält, sind
ebenfalls Aspekte
Deiner Größe, o Herr. Auch das
Wasser und sein Geschmack sind nicht von Dir verschieden."
"Lieber Herr, die Kraft der Sinne,
die Fähigkeit des
Geistes, zu denken, zu fühlen und zu wollen, sowie auch
die Stärke, die Bewegungen und das
Wachstum des
Körpers scheinen von den sich
bewegenden Lüften im
Körper bewirkt zu werden, doch
letzten Endes sind sie
nichts anderes als Manifestationen Deiner
Energie. Auch
die Weite des Weltalls ruht in
Dir. Die Schwingung im
Äther, das Donnern am Himmel, der
höchste Klang
omkara und die Formulierung verschiedener
Worte zur
Unterscheidung verschiedener Objekte sind
symbolische
Repräsentationen Deinerselbst. Du bist
alles. Die Sinne,
die Beherrscher der Sinne, die
Halbgötter, sowie das
Erwerben von Wissen, das die Aufgabe der Sinne ist, und
die Gegenstände des Wissens - das bist alles Du. Du bist
ebenfalls die Entscheidungskraft der
Intelligenz und das
scharfe Gedächtnis eines
Lebewesens. Du bist das
egoistische Prinzip der Unwissenheit, das die Ursache der
materiellen Welt ist; Du bist das
egoistische Prinzip der
Leidenschaft, das die Ursache der Sinne darstellt, und Du
bist das egoistische Prinzip der
Tugend, das die Ursache
der Halbgötter ist, die über die Abläufe in der materiellen
Welt wachen. Du bist auch die
illusionierende Energie,
maya, die die fortwährende Wanderung
der bedingten
Seele von Körper zu Körper verursacht."
"O Höchste
Persönlichkeit Gottes,
Du bist die
ursprüngliche Ursache aller Ursachen,
ebenso wie die
Erde die ursprüngliche Ursache vieler Arten von Bäumen,
Pflanzen und ähnlicher Vielfalt ist. Und wie in all diesen
Manifestationen die Erde vertreten ist, so bist Du überall
in der
materiellen
Manifestation als
Überseele
gegenwärtig. Du bist die höchste Ursache aller Ursachen,
das ewige Prinzip. In
Tat und Wahrheit ist
alles
Bestehende nichts anderes als eine
Manifestation Deiner
einen Energie.
Die drei
Erscheinungsweisen der
materiellen Natur - sattva, rajas
und tamas - und das
Ergebnis ihrer
Wechselwirkung sind
durch Deine
yoga-maya mit Dir verbunden. Man glaubt zwar, sie seien
unabhängig, doch dem ist nicht so,
denn in Wirklichkeit
ruht die gesamte
materielle Energie auf
Dir, der
Überseele. Weil Du die höchste Ursache aller Dinge bist,
haben die
Wechselwirkungen
der materiellen
Manifestation - Geburt,
Dasein, Wachstum, Wandel,
Zerfall und Vernichtung - auf Dich keinen Einfluß. Deine
höchste
Energie,
yoga-maya,
wirkt in den
verschiedenartigsten
Manifestationen,
und weil
yoga-maya Deine Energie ist, bist Du in allem gegenwärtig."
Im Neunten Kapitel der Bhagavad-gita
wird diese
Tatsache vom Herrn sehr anschaulich
erklärt: "Von Mir,
in Meiner unmanifestierten
Form, wird das gesamte
Universum durchdrungen. Alles ruht in Mir, doch Ich bin
nicht dort." Das gleiche wird hier
von Vasudeva zum
Ausdruck gebracht. Wenn man sagt,
Krsna sei nicht in
allem, bedeutet dies, daß Er über
allem steht, obwohl
Seine Energie überall wirkt. Mit
Hilfe des folgenden
einfachen Beispiels kann
dies sehr leicht verstanden
werden: In einem großen Betrieb ist die Energie oder die
Organisation des Direktors bis in
den letzten Winkel
wirksam; dies bedeutet jedoch
nicht, daß er überall
persönlich gegenwärtig ist, obwohl die
Beschäftigten in
jeder einzelnen
Abteilung die
Anwesenheit des
Eigentümers spüren. Wenn
sich der Besitzer einmal
persönlich in einer Abteilung aufhält, so ist dies nur eine
Formalität, denn seine Energie wirkt
ohnehin bereits
überall. Ebenso kann die Allgegenwart
der Höchsten
Persönlichkeit Gottes
im Wirken Ihrer
Energien
wahrgenommen werden. Daher wird die Philosophie, daß
alles auf unvorstellbare Weise
gleichzeitig eins mit und
verschieden vom Höchsten Herrn ist, überall bestätigt. Mit
anderen Worten, der Herr ist einer,
doch Seine Energien
sind von unendlicher Vielfalt.
Vasudeva fuhr fort: "Die materielle
Welt ist wie ein
großer Strom, dessen
Wellen die drei materiellen
Erscheinungsweisen -
Tugend, Leidenschaft und
Unwissenheit - sind. Der materielle
Körper, seine Sinne,
die Fähigkeit des Denkens, Fühlens
und Wollens sowie
die Zustände von Leid, Glück,
Anhaftung und Lust sind
verschiedene Produkte dieser drei
Erscheinungsweisen.
Die törichten Menschen,
die Deine transzendentale
Persönlichkeit
jenseits
dieser materiellen
Wechselwirkungen nicht zu erkennen
vermögen, bleiben
im Netz der fruchtbringenden Tätigkeiten
verstrickt und
sind somit dem fortgesetzten Kreislauf
von Geburt und
Tod unterworfen, ohne eine Aussicht auf Befreiung."
Das gleiche wird auch vom Herrn auf andere Weise im
Vierten Kapitel der Bhagavad-gita bestätigt, wo es heißt,
daß jeder, der das Erscheinen und die Taten des Höchsten
Herrn, Sri Krsna, versteht, aus der Gewalt der materiellen
Natur befreit wird und nach Hause, zu Gott, zurückkehrt.
Krsnas transzendentaler Name, Seine Gestalt, Seine Taten
und Seine Eigenschaften sind also keine Schöpfungen der
materiellen Natur.
"Mein lieber Herr", fuhr Vasudeva
fort, "wenn die
bedingte Seele trotz ihrer vielen
Mängel auf irgendeine
Weise mit dem hingebungsvollen Dienst
in Berührung
kommt, erlangt
sie die
zivilisierte menschliche
Lebensform, die ein entwickeltes
Bewußtsein aufweist,
und wird dadurch
befähigt, weitere Fortschritte im
hingebungsvollen Dienst zu machen. Weil
die meisten
Menschen jedoch von der äußeren
Energie verblendet
sind, nutzen sie diesen Vorteil des menschlichen Körpers
nicht. So lassen sie sich die Möglichkeit entgehen, ewige
Freiheit zu erlangen, und bringen
sich törichterweise um
den ganzen Fortschritt, den sie im
Laufe von Tausenden
von Leben gemacht haben.
In der körperlichen
Lebensauffassung hängt man
aufgrund seiner
falschen Ichbezogenheit
an den
Abkömmlingen seines Körpers, und auf diese Weise gerät
jeder im bedingten Leben in die Gefangenschaft falscher
Beziehungen und falscher Zuneigung. Die
ganze Welt
bewegt sich unter
dem Einfluß
dieser falschen
Auffassungen,
der
Ursachen
der materiellen
Gefangenschaft. Ich weiß, daß keiner
von Euch beiden
mein Sohn ist. Ihr seid der Ursprung, das Oberhaupt und
der zeugende Vater von
allem, die Persönlichkeiten
Gottes, die als Pradhana und Purusa
bezeichnet werden.
Aber Ihr seid nun auf der
Erde erschienen, um die
ksatriya-Könige, die unnötigerweise riesige
Streitkräfte
aufgebaut haben, zu vernichten und dadurch die Welt von
ihrer Last zu befreien. Dies habt
Ihr mir bereits in der
Vergangenheit offenbart. Mein lieber
Herr, Du bist die
Zuflucht aller ergebenen Seelen und
der höchste Gönner
der Bescheidenen und Demütigen. Ich
suche deshalb
Zuflucht bei Deinen Lotosfüßen, die allein Befreiung aus
der Verstrickung ins materielle Dasein gewähren können.
Für lange Zeit habe ich meinen Körper für mein Selbst
gehalten, und obwohl Du die Höchste
Persönlichkeit
Gottes bist, habe ich gemeint, Du
seist mein Sohn.
Damals, als Du in Kamsas Kerker das erste Mal vor mir
erschienen bist, wurde ich davon unterrichtet, daß Du die
Höchste Persönlichkeit Gottes bist und
daß Du sowohl
zum Schutz der
religiösen Prinzipien als
auch zur
Vernichtung der Gottlosen herabgestiegen
bist. Obgleich
es für Dich keine Geburt gibt,
erscheinst Du in jedem
Zeitalter, um diese Mission zu erfüllen. Mein lieber Herr,
so wie am Himmel
viele Formen erscheinen und
verschwinden, so erscheinst und
verschwindest auch Du
in vielen ewigen Formen. Wer könnte
jemals Deine
transzendentalen Spiele und
das Mysterium Deines
Erscheinens und Fortgehens verstehen? Was
uns betrifft,
so sollten wir einzig und allein
ohne Unterlaß Deine
erhabene Größe preisen."
Während Vasudeva auf
diese Weise zu seinen
göttlichen Söhnen sprach, lächelten diese. Weil Krsna und
Balarama Ihren Geweihten sehr zugetan sind, nahmen Sie
Vasudevas Lobpreisungen
mit einem freundlichen
Lächeln entgegen. Darauf antwortete Krsna, um alles, was
Vasudeva gesagt hatte, zu bestätigen: "Mein lieber Vater,
Wir sind trotz allem, was du
gesagt hast, deine Söhne.
Was du über Uns gesagt hast, zeugt zweifellos von einem
hohen philosophischen
Verständnis des spirituellen
Wissens. Ich stimme ausnahmslos allem zu."
Vasudeva befand sich auf der Stufe
der höchsten
Vollkommenheit des Lebens,
da er Sri Krsna und
Balarama als seine Söhne ansah;
doch weil die an dem
heiligen Pilgerort von Kuruksetra
versammelten Weisen
den Herrn als die höchste Ursache aller Dinge bezeichnet
hatten, wiederholte Vasudeva aus Liebe
zu Krsna und
Balarama einfach ihre Worte. Sri Krsna
wollte Seine
Beziehung zu Vasudeva
als Sohn und Vater nicht
beeinträchtigt sehen; deshalb erklärte Er schon zu Beginn
Seiner Antwort, daß Er der ewige Sohn Vasudevas sei und
Vasudeva Sein ewiger Vater. Als
nächstes erklärte Sri
Krsna Seinem Vater
die spirituelle
Identität aller
Lebewesen: "Mein lieber Vater, alles, auch Ich Selbst und
Mein älterer Bruder Balarama sowie
die Einwohner von
Dvaraka und die gesamte kosmische
Manifestation, ist
genauso, wie du es beschrieben
hast; aber zugleich sind
wir alle auch qualitativ eins."
Sri Krsna wollte, daß Vasudeva alles
mit den Augen
eines maha-bhagavata,
eines Gottgeweihten ersten
Ranges, sehen würde. Ein Gottgeweihter
ersten Ranges
sieht, daß alle Lebewesen ewige Teile des Höchsten Herrn
sind und daß Sich der Höchste Herr im Herzen eines jeden
befindet. In Wirklichkeit besitzen alle
Lebewesen eine
spirituelle Identität, doch im
materiellen Dasein geraten
sie unter den Einfluß
der Erscheinungsweisen der
materiellen Natur und
werden von der körperlichen
Lebensauffassung bedeckt; auf diese Weise vergessen sie,
daß die spirituelle Seele von
gleicher Natur ist wie die
Höchste Persönlichkeit
Gottes, und
aufgrund der
verschiedenartigen materiellen Bedeckungen
glauben sie
irrtümlicherweise, daß es
zwischen den Individuen
Unterschiede gäbe. Mit anderen Worten, die Unterschiede
zwischen den Körpern
machen uns glauben, auch
zwischen den spirituellen Seelen gäbe es Unterschiede.
Sri Krsna führte daraufhin ein
anschauliches Beispiel
mit den fünf grobstofflichen materiellen
Elementen an -
Äther, Luft, Feuer, Wasser und
Erde. Diese materiellen
Elemente sind überall auf unserer Welt vorhanden, sei es
in einem irdenen Krug, einem Berg,
einem Baum oder
einem Ohrring. Diese fünf Elemente
befinden sich in
unterschiedlichen Mengen und
Proportionen in allen
Dingen. Ein Berg zum Beispiel ist ein riesiges Gebilde aus
der Verbindung dieser fünf Elemente,
und ein kleiner
Krug besteht aus den
gleichen Elementen, aber in
kleinerer Menge. Obwohl alle materiellen Manifestationen
also von unterschiedlicher Form und
Größe sein mögen,
bestehen sie aus den gleichen Bestandteilen. In ähnlicher
Weise sind alle
Lebewesen von gleicher spiritueller
Eigenschaft - sowohl Krsna als auch das visnu-tattva mit
den Millionen von Visnu-Erweiterungen,
als auch die
Lebewesen in den verschiedenen Körpern,
angefangen
mit Brahma bis hinunter zur kleinen Ameise. Einige sind
quantitativ groß und andere klein, doch qualitativ sind alle
von gleicher Natur. In den
Upanisaden wird deshalb
bestätigt, daß Sri Krsna, der Höchste Herr, das Oberhaupt
aller Lebewesen ist und daß Er
sie erhält und mit allen
Lebensnotwendigkeiten versorgt.
Jeder, der diese
Philosophie kennt, besitzt vollkommenes Wissen. Der vedische Aphorismus tat tvam asi - "Du bist das gleiche" -
bedeutet deshalb nicht,
daß jeder Gott ist,
sondern
vielmehr, daß jeder qualitativ von gleicher Natur wie Gott
ist.
Nachdem Vasudeva gehört
hatte, wie Krsna die
gesamte Philosophie des spirituellen
Lebens in einer
kurzen Zusammenfassung wiedergab, freute
er sich sehr
über seinen Sohn. In seiner
Glückseligkeit vermochte er
kein Wort hervorzubringen und
verharrte deshalb in
Schweigen. Die ganze Zeit über hatte Devaki, die Mutter
Krsnas, still neben ihrem Mann gesessen. Ihr war bekannt,
daß Krsna und Balarama Ihrem Lehrer gegenüber so gütig
gewesen waren, daß Sie ihm seinen
toten Sohn aus der
Gewalt Yamarajas, des Herrn des Todes, zurückbrachten.
Seitdem sie von dieser Begebenheit gehört hatte, hatte sie
ständig an ihre eigenen Söhne
denken müssen, die von
Kamsa getötet worden waren, und bei
dieser Erinnerung
wurde sie von schmerzlicher Trauer überwältigt.
Voller Mitleid mit ihren toten
Söhnen, wandte sich
Devaki schließlich an Krsna und Balarama
und sagte zu
Ihnen: "Mein lieber Balarama, schon
Dein Name weist
darauf hin, daß Du jedem alle
Freude und alle Kraft
gewährst. Deine grenzenlose Kraft
befindet sich jenseits
der Reichweite unserer Gedanken und
Worte, und Du,
mein lieber Krsna, bist der Meister aller mystischen yogis.
Ich weiß auch, daß Du der
Herr der Prajapatis bist,
einschließlich Brahmas und seiner Helfer, und daß Du die
ursprüngliche Persönlichkeit Gottes, Narayana,
bist. Ich
weiß sehr wohl, daß Du auf die Erde gekommen bist, um
alle gottlosen Menschen zu vernichten,
die im Laufe der
Zeit auf Irrwege geraten sind. Sie verloren die Herrschaft
über ihren Geist und über ihre
Sinne und sind von der
Stufe der Tugend gefallen. Sie
mißachteten bewußt die
Anweisungen der offenbarten Schriften,
indem sie ein
Leben des Überflusses und der
Schamlosigkeit führten.
Du bist auf die
Erde herabgestiegen, um solche
verworfenen Könige zu töten und
dadurch die Erde von
ihrer schweren Last zu befreien.
Mein lieber Krsna, ich
weiß, daß Maha-Visnu, der im Ozean
der Ursachen der
kosmischen Manifestation liegt und der
Ursprung der
gesamten Schöpfung
ist, nichts
anderes als eine
Erweiterung Deiner vollständigen Teilerweiterung ist. Mit
anderen Worten,
die Schöpfung,
Erhaltung und
Vernichtung der kosmischen Manifestation
wird allein
von einer Deiner
vollständigen Teilerweiterungen
bewirkt. Ich suche deshalb rückhaltlos
bei Dir Zuflucht.
Ich habe gehört, daß Dein Lehrer, Sandipani Muni, dem
Du zur Belohnung eine Freude bereiten wolltest, Dich bat,
seinen toten Sohn ins Leben zurückzubringen und daß Du
den Sohn Deines Lehrers
daraufhin zusammen mit
Balarama unverzüglich aus
Yamarajas Reich holtest,
obwohl der Junge bereits seit
langer Zeit tot war. Diese
Tat zeigt mir deutlich, daß Du
der höchste Meister aller
mystischen yogis bist. Ich bitte Dich deshalb, mir meinen
Wunsch auf dieselbe Weise zu
erfüllen. Ich bitte Dich,
mir gütigerweise all meine Söhne
zurückzubringen, die
von Kamsa getötet wurden. Wenn Du sie mir wiedergibst,
wird mein Herz Zufriedenheit finden;
es wäre für mich
schon eine große Freude, wenn ich
sie nur einmal sehen
könnte."
Als Krsna und Balarama den Wunsch
Ihrer Mutter
vernommen hatten, riefen Sie sogleich
yoga-maya, um
ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen, und begaben Sich nach
Sutala, einem der niederen
Planetensysteme. Einstmals
war der Höchste Herr in Seiner
Inkarnation als Vamana
von Bali Maharaja, dem König der
Dämonen, erfreut
worden, da dieser Ihm alles
schenkte, was er besaß.
Daraufhin hatte Bali Maharaja ganz
Sutala als Residenz
und Königreich
bekommen. Als
dieser große
Gottgeweihte, Bali Maharaja, nun sah,
daß Krsna und
Balarama auf Seinen Planeten gekommen waren, versank
er in einem Ozean der Freude.
Sowie er Krsna und
Balarama vor sich erblickte, erhob er sich zusammen mit
seiner Familie von den Sitzen, und sie verneigten sich vor
den Lotosfüßen des Herrn. Bali
Maharaja bot Sri Krsna
und Balarama die besten Sitze an, die er besaß, und als die
beiden göttlichen Persönlichkeiten Sich
gesetzt hatten,
wusch er Ihnen die Lotosfüße.
Anschließend sprengte er
sich und seinen Familienmitgliedern das Wasser über die
Köpfe. Das Wasser, mit dem Krsnas
und Balaramas
Lotosfüße gewaschen werden, ist selbst
für die größten
Halbgötter, wie Brahma, läuternd.
Alsdann brachte Bali Maharaja wertvolle
Gewänder,
Schmuck,
Sandelholzpaste,
Betelnüsse, brennende
Lampen und viele
nektargleiche Speisen herbei und
verehrte den Herrn gemeinsam mit den Mitgliedern seiner
Familie nach allen Regeln der
Schriften. Auch seinen
Reichtum und seinen Körper brachte
er den Lotosfüßen
des Herrn dar. König Bali empfand solch transzendentale
Freude, daß er mehrmals die Lotosfüße des Herrn ergriff
und sie an seine Brust drückte;
manchmal setzte er sie
auch auf sein Haupt, und auf
diese Weise kannte seine
transzendentale Glückseligkeit keine Grenzen. Tränen der
Liebe und Zuneigung strömten aus
seinen Augen, seine
Haare sträubten sich, und mit stockender Stimme brachte
er seine Gebete dar.
"O mein Herr,
Sri Balarama, o
ursprünglicher
Anantadeva, Du bist so groß, daß
Anantadeva Sesa und
viele andere transzendentale Formen ursprünglich aus Dir
und Sri Krsna hervorgegangen
sind. Ihr seid die
ursprüngliche Persönlichkeit
Gottes, und Eure ewige
Gestalt ist von
unbegrenzter Glückseligkeit und
vollkommenem Wissen durchdrungen.
Ihr seid die
Schöpfer der ganzen Welt. Ihr seid die Begründer und die
ursprünglichen Verkünder der Pfade des
jnana-yoga und
des bhakti-yoga. Ihr seid das
Höchste Brahman, die
ursprüngliche Persönlichkeit Gottes, und
deshalb bringe
ich Euch meine
achtungsvollen Ehrerbietungen dar.
Lieber Krsna, lieber Balarama, meine
verehrten Meister,
es ist sehr schwer für die Lebewesen, die Möglichkeit zu
bekommen, Euch zu
sehen. Doch wenn Ihr
Euren
Geweihten Eure Barmherzigkeit gewährt,
können diese
Euch ohne weiteres sehen. Es ist
also einzig und allein
Eure grundlose
Barmherzigkeit, daß
Ihr Euch
bereitgefunden habt, hierherzukommen und
uns sichtbar
zu werden, denn was
uns betrifft, so stehen
wir
gewöhnlich unter dem Einfluß von
Unwissenheit und
Leidenschaft."
"Mein lieber Herr, wir gehören zu
den daityas, den
Dämonen, und diese dämonischen Lebewesen,
wie die
Gandharvas, Siddhas, Vidyadharas,
Caranas, Yaksas,
Raksasas und Pisacas sowie die Geister und Kobolde, sind
von Natur aus unfähig, Dich zu
verehren oder Deine
Geweihten zu werden. Statt Gottgeweihte
zu werden,
werden sie nur zu
Hindernissen auf dem
Pfad der
Hingabe. Du hingegen bist die
Höchste Persönlichkeit
Gottes, die alle Veden repräsentiert
und Sich in der
Erscheinungsweise der makellosen
Tugend befindet.
Deine Stellung ist immer transzendental.
Aus diesem
Grund haben einige von
uns, obwohl sie in der
Erscheinungsweise der Leidenschaft und
Unwissenheit
geboren wurden, bei Deinen Lotosfüßen Zuflucht gesucht
und sind Gottgeweihte geworden. Einige
von uns sind
tatsächlich reine Gottgeweihte, und
andere haben bei
Deinen Lotosfüßen Zuflucht gesucht, weil sie hoffen, für
ihre Hingabe irgend etwas zu bekommen. "
"Nur durch Deine grundlose Barmherzigkeit dürfen wir
Dämonen jetzt persönlich mit Dir
zusammensein. Nicht
einmal die großen Halbgötter dürfen
sich dieses Glücks
erfreuen. Niemand
weiß, wie Du
durch Deine
yoga-maya-Energie
wirkst. Selbst
die Halbgötter
vermögen das Ausmaß der Tätigkeiten
Deiner inneren
Energie nicht zu ermessen; wie also
könnte dies uns
möglich sein? Ich bringe Dir daher
meine demütigen
Gebete dar: Sei bitte gütig zu
mir, der ich Dir völlig
ergeben bin, und begünstige mich mit Deiner grundlosen
Barmherzigkeit, so daß
ich mich Leben für Leben
ausschließlich an Deine Lotosfüße
erinnern kann. Es ist
mein einziger
Wunsch, allein zu
leben wie die
paramahamsas, die
voll inneren
Friedens überall
umherziehen und sich
ganz von Deinen Lotosfüßen
abhängig gemacht haben. Und wenn ich trotzdem einmal
mit jemandem zusammensein muß, dann möge dies einer
Deiner reinen Geweihten sein und niemand
anders, denn
sie wollen immer nur das Beste für alle Lebewesen."
"Mein lieber Herr, Du bist der
höchste Meister und
Lenker der ganzen Welt.
Bitte beschäftige mich in
Deinem Dienst, damit ich von allen
materiellen Verunreinigungen frei werden kann. Durch Deine Kraft ist dies
tatsächlich möglich, denn sobald sich
jemand in Deinem
liebevollen Dienst beschäftigt, o Herr,
wird er von allen
Regeln und Prinzipien
befreit, die in den
Veden
vorgeschrieben werden."
Das Wort
paramahamsa, das
Bali Maharaja
gebrauchte, bedeutet "der höchste Schwan". Es heißt, daß
ein Schwan in der Lage ist, aus einer Mischung von Milch
und Wasser nur die Milch herauszuziehen und das Wasser
zurückzulassen. Wer auf ähnliche Weise
in der Lage ist,
aus der
materiellen Welt
den spirituellen Aspekt
herauszuholen und allein zu leben, während er sich einzig
vom Höchsten Spirituellen Wesen abhängig
macht und
nicht von der
materiellen Welt, wird paramahamsa
genannt. Wenn man die Stufe des paramahamsa erreicht
hat, ist man nicht mehr an
die Regeln und Vorschriften
der Veden gebunden. Ein paramahamsa
hält sich nur in
der Gemeinschaft reiner Gottgeweihter auf
und meidet
diejenigen, die zu sehr am materiellen Leben hängen. Die
Materialisten nämlich
wissen den
Wert eines
paramahamsa nicht zu schätzen, wohingegen diejenigen,
die so
glücklich sind,
in spiritueller Hinsicht
fortgeschritten zu sein, bei den
paramahamsas Zuflucht
suchen und dadurch ihr menschliches
Leben zum Erfolg
führen.
Nachdem Sri Krsna die
Gebete Bali Maharajas
angehört hatte, sprach
Er: "Mein lieber König
der
Dämonen, im Zeitalter des Svayambhuva
Manu zeugte
der Prajapati namens Marici mit
seiner Frau Urna sechs
Söhne, von denen jeder ein Halbgott
war. Als nun eines
Tages Brahma von der Schönheit
seiner Tochter betört
wurde und ihr, getrieben von
lüsterner Begierde, folgte,
empörten sich diese sechs Halbgötter
mit Abscheu über
Brahmas Verhalten. Weil diese Kritik
jedoch ein großes
Vergehen gegen
Brahma darstellte,
wurden diese
Halbgötter dazu verflucht, als die
Söhne des Dämons
Hiranyakasipu geboren
zu werden. Diese
Söhne
Hiranyakasipus wurden später in Mutter
Devakis Schoß
versetzt, und jeder von ihnen wurde
gleich nach seiner
Geburt von Kamsa
getötet. Mein lieber
König der
Dämonen, Mutter Devaki sehnt sich sehr
danach, ihre
sechs toten Söhne wiederzusehen, denn
ihr früher Tod
von der Hand Kamsas bereitet ihr
großen Schmerz. Ich
weiß, daß sie alle bei dir leben, und Ich habe beschlossen,
sie mit Mir zu nehmen, um
Meine Mutter Devaki zu
beruhigen. Nachdem diese sechs bedingten Seelen Meine
Mutter gesehen haben, werden sie Befreiung erlangen und
zu ihrer Freude auf ihren Heimatplaneten erhoben werden,
um dort wieder ihre frühere
Stellung als Halbgötter
einzunehmen. Ihre
Namen sind Smara,
Udgitha,
Parisvanga, Patanga, Ksudrabhrt und Ghrni."
Als Krsna dem König der Dämonen
dies mitgeteilt
hatte, schwieg Er, und Bali
Maharaja verstand, was der
Herr wünschte. Er brachte Krsna die
Verehrung dar, die
Ihm gebührte, und danach nahmen
Krsna und Balarama
die sechs bedingten Seelen mit Sich
und kehrten nach
Dvaraka zurück, um sie dort als
kleine Kinder ihrer
Mutter Devaki zu übergeben. Mutter Devaki
wurde in
ihrer Freude von solch ekstatischen mütterlichen Gefühlen
ergriffen, daß Milch aus ihren
Brüsten floß. In tiefer
Glückseligkeit stillte sie ihre Kinder,
hob sie immer
wieder auf ihren Schoß
und genoß den Duft ihrer
niedlichen Köpfe, wobei sie dachte: "Krsna hat mir meine
verlorenen Kinder zurückgebracht!" So
blieb sie eine
Zeitlang unter dem überwältigenden
Einfluß der Energie
Visnus, und voll mütterlicher Zärtlichkeit erfreute sie sich
der Gemeinschaft ihrer verlorenen Kinder.
Die Milch aus Devakis Brust war
transzendentaler
Nektar, denn die gleiche Milch
hatte einst Sri Krsna
getrunken. Als die Kinder an
Devakijis Brust, die Sri
Krsnas Körper berührt hatte, tranken, erlangten sie auf der
Stelle Selbstverwirklichung und
brachten Sri Krsna,
Seinem Bruder Balarama, ihrem Vater
Vasudeva und
Mutter Devaki ihre
Ehrerbietungen dar. Unmittelbar
danach wurde jeder von ihnen auf
seinen himmlischen
Planeten erhoben.
Als Devaki wieder allein
war, war sie zutiefst
verwundert bei dem Gedanken, daß
ihre toten Kinder
zurückgekehrt und nun wieder gegangen
waren, um auf
ihre Planeten zurückzukehren. Sie konnte sich mit diesen
Geschehnissen nur abfinden, indem sie
in ihnen Sri
Krsnas Spiele sah, denn in diesen Spielen können sich die
unglaublichsten Dinge ereignen, da Sri
Krsnas Energien
unfaßbar sind. Ohne die unfaßbaren
und unbegrenzten
Energien des Herrn
anzuerkennen, kann man nicht
verstehen, daß Krsna die Höchste
Seele ist. Durch Seine
unbegrenzten Energien
vollführt Er
auch Seine
unbegrenzten Spiele, und niemand kann
sie in ihrer
ganzen Fülle beschreiben oder kennen. Suta Gosvami, der
den Weisen von Naimisaranya, an
deren Spitze Saunaka Rsi saß, das Srimad-Bhagavatam vortrug,
machte an
dieser Stelle die folgende Aussage:
"Ihr großen
Weisen, bitte
erkennt, daß die
transzendentalen Spiele Sri Krsnas ewig
sind. Sie sind
keine gewöhnlichen
Erzählungen von historischen
Begebenheiten; nein, vielmehr sind solche
Erzählungen
mit der Höchsten Persönlichkeit Gottes
Selbst identisch.
Deshalb wird jeder, der die Erzählungen von den Spielen
des Herrn hört, sogleich von der
Verunreinigung des
materiellen Daseins befreit. Wenn diese
Erzählungen in
die Ohren der reinen Gottgeweihten
dringen, ist dies für
sie reiner Nektar." Genau solche Erzählungen wurden von
Sukadeva Gosvami, dem erhabenen Sohn
Vyasadevas,
vorgetragen, und jeder, der sie
hört, wie auch jeder, der
sie weitererzählt, damit andere sie
hören können, wird
Krsna-bewußt. Und nur diejenigen, die
Krsna-bewußt
sind, können nach Hause, in das
Königreich Gottes,
zurückkehren.
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 84. Kapitel des Krsna-Buches:
"Sri Krsna unterweist Vasudeva im spirituellen Wissen und bringt Devaki
ihre sechs toten Söhne zurück".