54. Kapitel: Pradyumna, der Sohn
von Krsna und Rukmini
Der Liebesgott, der direkt ein Teil
Sri Vasudevas ist,
war einst durch Sivas Zorn zu
Asche verbrannt worden,
und es wird gesagt, daß er
danach als Sohn Krsnas und
Rukminis wiedergeboren wurde. Der
eigentliche Name
des Liebesgottes lautet Kamadeva, und er ist ein Halbgott
der himmlischen Planeten,
der mit der besonderen
Fähigkeit ausgestattet ist, lustvolle Verlangen zu wecken.
Krsna, die
Höchste Persönlichkeit
Gottes, besitzt
unzählige Emanationen, die sich in
die verschiedensten
Kategorien aufteilen, doch Krsnas
Vierererweiterung als
Vasudeva, Sankarsana, Pradyumna und Aniruddha gehört
direkt zur Visnu-Kategorie.
Kama, der Halbgott der
Liebe, der später aus Rukminis
Schoß erschien, erhielt
zwar auch den Namen Pradyumna, doch er kann nicht der
Pradyumna der Visnu-Kategorie sein. Er gehört vielmehr
zur Kategorie des jiva-tattva, doch weil er ein Bestandteil
der außergewöhnlichen Macht Pradyumnas war, besaß er
die besondere Stärke der Halbgötter. Das ist die Erklärung
der Gosvamis. Deshalb war der
Liebesgott, als er durch
Sivas Zorn zu Asche verbrannt
wurde, in Vasudevas
Körper eingegangen, und damit er
wieder einen Körper
erhalten konnte, wurde er von Sri
Krsna Selbst gezeugt.
Auf diese Weise ging er direkt von Krsnas Körper in den
Schoß Rukminis ein und wurde als Krsnas Sohn geboren,
der unter dem Namen Pradyumna
Berühmtheit erlangte.
Da er direkt von Sri Krsna gezeugt
worden war, glichen
seine Eigenschaften denen des Herrn.
Zu jener Zeit lebte auch ein Dämon namens Sambara,
dem es bestimmt war, von besagtem
Pradyumna getötet
zu werden. Der Dämon Sambara wußte
von seinem
Schicksal, und als er erfuhr, daß Pradyumna auf die Welt
gekommen war, nahm er deshalb die Gestalt einer Frau an
und raubte das Kind aus dem Elternhaus, als es noch nicht
einmal zehn Tage alt war. Gleich
nach dem geglückten
Raub warf der Dämon das kleine
Kind in hohem Bogen
ins Meer. Doch es
ist eine Tatsache: "Wen
Krsna
beschützt, den kann niemand töten, und wem es bestimmt
ist, von Krsna getötet zu werden,
den kann niemand
beschützen." Als Pradyumna
ins Meer geschleudert
wurde, kam sogleich ein großer Fisch und verschlang ihn.
Dieser Fisch wurde im Netz eines Fischers gefangen und
später dem Dämon Sambara verkauft.
In der Küche des
Dämons arbeitete eine Magd namens Mayavati, und diese
Magd war einst Rati,
die Gattin des Liebesgottes,
gewesen. Als der Fisch zu Sambara gebracht wurde, gab
er ihn an
seinen Koch
weiter, der
daraus ein
schmackhaftes Gericht zubereiten sollte.
Die Dämonen
und Raksasas sind es gewohnt, Fleisch, Fisch und andere
nichtvegetarische Nahrung zu essen. Ebenso pflegten auch
Dämonen wie Ravana, Kamsa und
Hiranyakasipu ohne
Unterscheidung Fleisch zu essen, obwohl
sie die Söhne
von brahmanas und ksatriyas waren.
Auch heute findet
man in Indien Menschen, die Fleisch und Fisch essen, und
sie werden im allgemeinen als
Dämonen und Raksasas
bezeichnet.
Als nun der Koch den Fisch
aufschnitt, fand er in
dessen Bauch ein
bezauberndes Kind, und sogleich
übergab er es der Obhut Mayavatis, die ihm in der Küche
half. Diese war maßlos erstaunt und
fragte sich, wie ein
solch bezauberndes Kind in den
Bauch eines Fisches
kommen konnte. Als Mayavatiso über das Kind rätselte,
erschien der große Weise Narada vor ihr und erzählte ihr
über die Geburt Pradyumnas. Dazu
verriet er auch, wie
das kleine Kind von Sambara
gestohlen und später ins
Meer geworfen wurde, und so fort; auf diese Weise erfuhr
Mayavati, die früher Rati, die Frau
des Liebesgottes,
gewesen war, alles über Pradyumna. Mayavati wußte, daß
sie einst die Gemahlin des
Liebesgottes gewesen war.
Seitdem ihr Gemahl durch Sivas Zorn
verbrannt worden
war, hatte sie ständig darauf gewartet, daß er eines Tages
wieder in einem neuen Körper
zurückkommen würde.
Mayavatis Aufgabe als Küchenmagd war es, Reis und dal
zu kochen, doch als ihr das hübsche Kind gegeben wurde
und als sie dazu noch erfuhr,
daß es der Liebesgott, ihr
Gemahl, war, nahm sie sich natürlich sogleich des Kindes
an und badete es als erstes. Wie durch ein Wunder wuchs
das Kind außerordentlich schnell heran
und verwandelte
sich in kurzer Zeit in einen
überaus schönen Jüngling.
Seine Augen
glichen den
Blütenblättern einer
Lotosblume, seine Arme reichten ihm bis an die Knie, und
jede Frau, die ihn erblickte, wurde von seiner körperlichen
Schönheit gefangen.
Als Mayavati sah, daß ihr ehemaliger
Gatte, der
Liebesgott, der nun als Pradyumna erschienen war, sich in
einen wunderschönen Jüngling verwandelt
hatte, wurde
auch sie allmählich von seiner
Schönheit betört und
empfand ein lustvolles Verlangen nach
ihm. Sie lächelte
ihn auf weiblich verführerische Art
an und gab ihm so
ihren Wunsch nach einer geschlechtlichen Vereinigung zu
verstehen. Pradyumna fragte sie deshalb: "Wie ist es
nur
möglich, daß du mir anfänglich wie eine
Mutter zugetan
warst und nun alle Merkmale einer lustvollen Frau zeigst?
Wie kommt es zu diesem Wandel?“
Darauf antwortete
Rati: "Lieber Herr, du bist der
Sohn Sri Krsnas. Als du
noch nicht einmal zehn Tage alt
warst, wurdest du von
dem Dämon Sambara geraubt und ins Meer geworfen, wo
dich ein Fisch verschlang. Auf
diese Weise bist du in
meine Obhut gelangt, doch eigentlich
war ich in deinem
vorherigen Leben als Liebesgott deine
Ehefrau. Deshalb
ist nichts Unrechtes daran, wenn ich eheliche Liebe zu dir
verspüre. Sambara wollte dich töten, und er verfügt über
vielerlei mystische Kräfte. "
"Versuche deshalb, ihn sogleich mit
deiner göttlichen
Macht umzubringen, bevor
er erneut versucht, dich
umzubringen. Seit du von Sambara
geraubt wurdest,
trauert
deine
Mutter
Rukminidevi wie
ein
Kuckucksweibchen, das seine Jungen
verloren hat. Sie
liebt dich über alles, und seitdem
du ihr weggenommen
wurdest, lebt sie wie eine Kuh, die über den Verlust ihres
Kalbes trauert."
Mayavati besaß mystisches Wissen und übernatürliche
Kräfte. Übernatürliche Kräfte werden im allgemeinen als
maya bezeichnet, und mit maha-maya,
einer anderen
mystischen Kraft, kann man ihnen entgegenwirken. Weil
Mayavati diese
besondere mystische
Kraft der
maha-maya beherrschte, verlieh sie sie
an Pradyumna,
damit er den Dämon Sambara und
dessen mystische
Kräfte würde bezwingen
können.
Gestärkt mit den
mystischen Kräften
seiner Frau, trat
Pradyumna
unverzüglich vor Sambara und forderte
ihn zum Kampf
heraus, indem er ihn beschimpfte,
um ihn wütend zu
machen und zum Kampf zu reizen.
Als der Dämon
Sambara Pradyumnas Worte hörte, fühlte er sich wie eine
Schlange, die mit dem Fuß getreten wird.
Eine Schlange
kann es nicht ertragen, von einem
anderen Tier oder
einem Menschen getreten zu werden, und sie beißt jeden,
der dies wagt.
Sambara empfand
die Worte
Pradyumnas wie
Fußtritte. Sogleich ergriff
er seine Keule, lief auf
Pradyumna zu und begann, mit
unbändiger Wut auf ihn
einzuschlagen — jeder Schlag einem Blitz ähnlich, der in
einen Berg einschlägt. Dabei knurrte
der Dämon und
machte einen Lärm
wie eine
donnernde Wolke.
Pradyumna wehrte die Schläge mit
seiner Keule ab und
konnte dem Dämon schließlich einen
schweren Hieb
versetzen. So entbrannte
zwischen Pradyumna und
Sambara ein unerbittlicher Kampf.
Sambarasura jedoch hatte von einem
anderen Dämon
namens Maya die Kunst der
mystischen Kräfte erlernt,
und so konnte er sich in die
Lüfte erheben und vom
Weltraum aus kämpfen. Nachdem Sambarasura also hoch
in den Himmel gestiegen war, feuerte er von dort aus die
verschiedenartigsten Atomwaffen auf Pradyumnas Körper
ab. Pradyumna jedoch erinnerte sich
an eine andere
mystische Kraft
namens mahavidya,
mit der er
Sambarasuras mystische Kräfte bekämpfen konnte. Diese
mahavidya-Kraft hat
nichts mit der
dämonischen
schwarzen Magie zu tun,
sondern gründet in der
Erscheinungsweise der Tugend. Da Sambara
erkannte,
daß er es mit einem mächtigen
Gegner zu tun hatte,
brachte
er
die
verschiedensten mystischen
Dämonenkräfte, wie die der Guhyakas,
der Gandharvas,
der Pisacas, der
Schlangen und der
Raksasas, zur
Anwendung. Doch
obwohl der Dämon
all seine
mystischen Kräfte entfaltete und sogar
übernatürliche
Mächte zu Hilfe zog, gelang es
Pradyumna stets, diesen
Angriffen durch seine überlegene Macht
der mahavidya
zu begegnen. Als
Sambarasura schließlich völlig
geschlagen war, zog Pradyumna sein
scharfes Schwert
und schlug ihm ohne zu zögern
den Kopf ab, der mit
einem Helm und kostbaren Juwelen geschmückt war. Als
Pradyumna auf diese Weise den Dämon tötete, ließen die
Halbgötter von den höheren Planetensystemen einen Blumenregen auf ihn niedergehen.
Pradyumnas Frau Mayavati kannte die Kunst
des
Fliegens, und so kehrten sie durch die Lüfte nach Dvaraka
zurück, der Hauptstadt von Pradyumnas
Vater. Als sie
über Sri Krsnas Palast anlangten, schwebten sie hernieder,
genau wie eine Wolke mit Blitzen niedergeht. Pradyumna
und Mayavati erblickten im inneren Bereich des Palastes,
der antahpura ("Privatgemächer") genannt
wird, viele
Frauen, und so landeten die beiden mitten unter ihnen. Als
die Frauen Pradyumna erblickten, der, in blaue Gewänder
gekleidet, mit langen Armen, lockigem
Haar, schönen
Augen, einem lächelnden, rötlichen Gesicht und Schmuck
aus Juwelen und Geschmeide, vor ihnen stand, wußten sie
nicht, daß es Pradyumna war, sondern verwechselten ihn
mit Krsna. Sie alle fühlten sich
durch das unverhoffte
Erscheinen Krsnas sehr
schüchtern und wollten sich
schnell in einem anderen Teil des Palastes verstecken.
Als die Frauen indessen bemerkten,
daß Pradyumna
nicht alle Merkmale Krsnas besaß, kamen sie aus Neugier
zurück, um ihn und
seine Frau Mayavati näher zu
betrachten. Weil er so
außergewöhnlich schön war,
rätselten sie alle, wer er wohl
sein mochte. Unter den
Frauen befand sich auch Rukmini devi,
die mit ihren
lotosähnlichen Augen ebenso schön war
wie er. Als sie
Pradyumna sah, mußte sie natürlicherweise an ihren Sohn
denken, und aus mütterlicher Zuneigung
begann Milch
aus ihren Brüsten zu fließen. Sie
fragte sich verwundert:
"Wer ist nur dieser blühende
Jüngling? Seine Schönheit
findet nicht ihresgleichen. Wer ist
die glückliche junge
Frau, die seine Mutter werden
durfte? Und wer ist die
junge Frau, die ihn
begleitet? Wie haben
sie sich
getroffen? Wenn ich mich an meinen
eigenen Sohn
erinnere, der mir als kleines Kind
geraubt wurde, so bin
ich sicher, daß er,
wenn er noch irgendwo
lebt,
inzwischen wie dieser Jüngling hier
aussehen muß."
Einfach nur aufgrund ihres Gefühles ahnte Rukmini, daß
Pradyumna ihr eigener verlorener Sohn war. Sie bemerkte
auch, daß Pradyumna Krsna in jeder Hinsicht ähnelte, und
daher fragte sie sich voller Verwunderung, wie es möglich
war, daß er Krsnas Körpermerkmale
aufwies. Insgeheim
dachte sie schließlich, der Jüngling
müsse ihr eigener
erwachsener Sohn sein,
denn sie verspürte große
Zuneigung zu ihm, und ihr linker
Arm zitterte, was ein
glückverheißendes Zeichen ist.
Genau in diesem
Augenblick erschien Sri Krsna
gemeinsam mit Seinem
Vater Vasudeva und Seiner
Mutter Devaki. Krsna, die Höchste Persönlichkeit Gottes,
wußte natürlich alles, doch in
diesem Fall schwieg Er.
Dafür erschien durch Seinen Willen
der große Weise
Narada und offenbarte alles, was geschehen war: wie der
kleine Pradyumna aus der Wiege
geraubt wurde, wie er
aufwuchs und wie er schließlich
seine Frau Mayavati
fand, die früher unter dem Namen
Rati die Frau des
Liebesgottes gewesen war. Als die Anwesenden alles über
Pradyumnas rätselhaftes
Verschwinden und sein
Heranwachsen erfahren hatten, waren sie
von Staunen
überwältigt; sie hatten ihren
totgeglaubten Sohn wiederbekommen, als sie
praktisch schon die Hoffnung
aufgegeben hatten, daß er jemals
wieder zurückkehren
würde. Sowie sie erfuhren, daß es Pradyumna war, der vor
ihnen stand,
hießen sie ihn
mit großer Freude
willkommen. Alle Mitglieder der Familie
— Devaki,
Vasudeva, Sri Krsna, Balarama, Rukminiund alle anderen
Frauen der Familie —umarmten Pradyumna
und seine
Frau Mayavati. Als sich die
Nachricht von Pradyumnas
Rückkehr in ganz
Dvaraka verbreitete, kamen die
erstaunten Bürger eilig herbei, um
den verlorenen Pradyumna zu sehen.
"Der totgeglaubte
Sohn ist
zurückgekehrt!" riefen sie. "Was könnte
es Schöneres
geben?"
Srila Sukadeva Gosvami
hat erklärt, daß
die
Bewohnerinnen des
Palastes, die
alle Stiefmütter
Pradyumnas waren, ihn zuerst für Krsna hielten und große
Schüchternheit zeigten, weil sich in ihnen das Verlangen
nach ehelicher Liebe regte. Dies erklärt sich dadurch, daß
Pradyumna genau das gleiche Aussehen wie Krsna besaß
und daß er überdies der Liebesgott in
Person war. Es ist
deshalb nicht weiter
verwunderlich, daß die Mutter
Pradyumnas sowie auch die anderen
Frauen im Palast
diesem Irrtum unterlagen; tatsächlich ähnelte Pradyumnas
äußere Erscheinung so sehr der Erscheinung Krsnas, daß
ihn sogar seine Mutter für Krsna hielt.
Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen
zum
54. Kapitel des Krsna-Buches "Pradyumna, der Sohn von
Krsna und Rukmini".
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 54. Kapitel des Krsna-Buches:
"Pradyumna, der Sohn von Krsna und Rukmini".