Duryodhana, der Sohn Dhrtarastras, hatte eine Tochter
im heiratsfähigen Alter mit Namen
Laksmana. Sie besaß
vortreffliche Eigenschaften, und deshalb
wollten viele
Prinzen sie heiraten. In solchen Fällen war es üblich, eine
svayamvara-Zeremonie abzuhalten, so
daß sich das
Mädchen selbst ihren
zukünftigen Mann aussuchen
konnte.
Als
der
Tag
von Laksmanas
svayamvara-Zeremonie gekommen war
und sie sich
gerade anschickte, ihren Gemahl zu
wählen, erschien
Samba, der Sohn Krsnas
und Jambavatis, einer der
Hauptfrauen des Herrn.
Samba hatte seinen Namen
deshalb erhalten, weil er ein sehr ungezogenes Kind
war
und sich immer in der Nähe seiner Mutter aufhielt. Samba
bedeutet nämlich soviel wie
"Muttersöhnchen" (amba
bedeutet "Mutter" und sa "zusammen mit"). Samba hatte
seinen Namen also bekommen, weil er
so sehr an seiner
Mutter hing, und aus demselben
Grund war er auch als
Jambavatisuta bekannt. Wie bereits an
einer früheren
Stelle gesagt wurde, besaßen alle
Söhne Krsnas die
gleichen Eigenschaften wie ihr
berühmter Vater, Sri
Krsna. Samba begehrte also die
Tochter Duryodhanas,
Laksmana, obwohl diese sich nicht
zu ihm hingezogen
fühlte. Daher entführte Samba sie
mit Gewalt aus der
svayamvara-Versammlung.
Weil Samba Laksmana gewaltsam geraubt hatte, waren
sich alle Familienangehörigen
der Kuru-Dynastie -
Dhrtarastra, Bhisma, Vidura, Ujahan und
Arjuna - darin
einig, daß es für
ihre Familientradition eine große
Beleidigung darstelle, daß der Jüngling Samba es gewagt
hatte, ihre Tochter zu entführen.
Sie alle wußten, daß
Laksmana nicht geneigt
gewesen war, Samba zum
Gemahl zu wählen, und
daß sie nicht einmal die
Möglichkeit bekommen hatte,
ihren Gemahl selbst
auszusuchen. Statt dessen war sie mit Gewalt von diesem
Jüngling davongetragen worden. Sie erklärten einstimmig,
daß Samba, der durch
seine Unverschämtheit die
Familientradition der Kurus verletzt hatte, bestraft werden
müsse. Aus diesem Grund faßten sie
auf den Rat der
Familienältesten hin
den Entschluß,
den Jungen
gefangenzunehmen, jedoch nicht zu töten. Ihnen war klar,
daß das Mädchen nun mit niemand anderem mehr als mit
Samba verheiratet werden konnte, da sie bereits von ihm
berührt worden war. (Nach den
Regeln der vedischen
Kultur kann ein Mädchen, das schon
einmal mit einem
Mann Umgang gehabt hat, mit keinem
anderen als mit
diesem verheiratet werden. Abgesehen
davon wäre auch
niemand bereit gewesen, ein solches
Mädchen zu heiraten.) Die Familienältesten, wie Bhisma, wollten Samba
gefangennehmen, und so taten sich alle Angehörigen der
Kuru-Dynastie,
besonders die
großen Kämpfer,
zusammen, um ihm eine Lehre zu
erteilen; Karna wurde
zum Befehlshaber für dieses kleine Gefecht ernannt.
Während sich die Kurus berieten, wie Samba am besten
zu fangen sei, waren sie sich
durchaus bewußt, daß
Sambas Gefangennahme die Yadus sehr erzürnen würde.
Es war sehr wohl möglich, daß
sie die Herausforderung
annehmen und mit ihnen kämpfen
würden. Doch die
Kurus sagten sich: "Wenn die Yadus hierherkommen, um
mit uns zu kämpfen, was könnten sie uns schon anhaben?
Die Mitglieder
der Yadu-Dynastie
können den
Mitgliedern der Kuru-Dynastie nicht gleichkommen, denn
die Könige der Kuru-Dynastie sind die großen Herrscher,
wohingegen sich die Könige der Yadu-Dynastie mit ihren
Ländereien begnügen müssen."
Die Kurus dachten:
"Wenn sie hierherkommen und uns
herausfordern, weil
wir ihren Sohn gefangen haben,
werden wir den Kampf
trotzdem annehmen. Wir
werden ihnen eine Lehre
erteilen, so daß sie automatisch
unterworfen werden,
genau wie die Sinne beim mystischen yoga-Vorgang des
pranayama* ."
Nach eingehender
Beratung mit den
beteiligten
Kriegern erteilten die Ältesten der
Kuru-Dynastie, wie
Bhisma und Dhrtarastra, die Erlaubnis
zum Kampf, und
so machten sich sechs große Krieger
zur Verfolgung
Sambas bereit,
nämlich Karna,
Sala, Bhurisrava,
Yajnaketu und Duryodhana, der Vater des Mädchens. Sie
alle waren maha-rathis und wurden
von dem berühmten
Bhismadeva angeführt. Es gibt
verschiedene Grade von
Kriegern - maha-rathis, eka-rathis und
rathis -, die sich
entsprechend ihrer Stärke im Kampf
voneinander unterscheiden. Die maha-rathis waren so stark, daß sie es allein
mit vielen tausend Männern aufnehmen
konnten. Samba
wurde von sechs solchen maha-rathis
verfolgt, die ihn
gefangennehmen wollten. Samba war allerdings auch ein
maha-rathi, doch er war allein und
mußte gegen sechs
andere maha-rathis kämpfen. Trotzdem ließ er sich nicht
beirren, als er sah, daß ihn
diese großen Krieger der
Kuru-Dynastie verfolgten, um ihn gefangenzunehmen.
Allein wie er war, drehte sich
Samba seinen Gegnern
zu und griff zu seinem mächtigen Bogen. Er war furchtlos
wie ein Löwe beim Anblick anderer Tiere, und so hörte er
sich die Herausforderung des gegnerischen
Anführers
Karna an: "Warum läufst du davon? Bleib stehen, und wir
werden dir eine Lehre erteilen!"
Wenn ein ksatriya von
einem anderen ksatriya zum Kampf herausgefordert wird,
darf er nicht fliehen; er muß kämpfen. Daher nahm Samba
die Herausforderung an und stellte sich seinen berühmten
Gegnern allein zum Kampf, und
sofort prasselte ein
Pfeilhagel auf ihn nieder. Als
Samba, der ruhmreiche
Sohn der Yadu-Dynastie,
der als Sohn Sri Krsnas
unvorstellbare Kräfte besaß, sah, wie
unritterlich die
Krieger der Kuru-Dynastie mit ihren
Pfeilen kämpften,
wurde er zornig wie
ein Löwe, der sich
nicht im
geringsten fürchtet, wenn er von
Wölfen und Schakalen
angegriffen wird. Samba, der sein
großes Geschick im
Kampfe offenbarte,
schoß auf jeden
der sechs
Wagenlenker einen Pfeil ab und tötete sie alle; dann schoß
er auf jeden der Streitwagen vier
Pfeile ab und tötete
dadurch die vier vorgespannten Pferde.
Ein Pfeil wurde
gebraucht, um den Fahrer zu töten, und einen Pfeil schoß
er auf Karna sowie auf die
anderen berühmten Krieger.
Als Samba mit solcher Gewandtheit allein gegen die sechs
großen Helden kämpfte, konnten diese
nicht umhin, die
unbegreifliche Kraft des Jünglings zu
bewundern. Selbst
inmitten des Kampfes gaben sie offen zu, daß Samba ein
hervorragender Kämpfer sei. Doch der
Kampf wurde im
ksatriya-Geist ausgetragen, und so taten
sie sich alle
zusammen, obwohl dies regelwidrig war,
und zwangen
Samba
gemeinsam,
von
seinem Streitwagen
herunterzuspringen, den sie dann zertrümmerten. Vier der
sechs Krieger töteten Sambas vier
Pferde, und einem
gelang es
schließlich, Sambas
Bogensehne zu
zerschneiden, so daß er nicht mehr weiterkämpfen konnte.
Auf diese Weise war zuerst ein erbitterter und mühevoller
Kampf nötig gewesen, bevor es ihnen
letzten Endes gelang, Samba, der nun seinen
Streitwagen verloren hatte,
gefangenzunehmen.
Nachdem die
Krieger der
Kuru-Dynastie diesen grandiosen Sieg über
Samba errungen hatten, nahmen sie ihm
Laksmana, ihre Tochter,
weg, und daraufhin zogen sie in
großem Triumph in die
Stadt Hastinapura ein.
Sofort unterrichtete der
große Weise Narada die
Yadu-Dynastie über Sambas Gefangennahme und erzählte
ihnen alles, was geschehen war. Die
Mitglieder der
Yadu-Dynastie wurden sehr zornig, als sie hörten, daß die
Kurus Samba gefangengenommen hatten, und
dies auf
unritterliche Weise, weil
Samba allein gegen eine
Überzahl von sechs Kriegern hatte
kämpfen müssen.
Sofort berieten sie sich mit dem Oberhaupt der Könige der
Yadu-Dynastie, Ugrasena, und
mit seiner Erlaubnis
bereiteten sie sich vor, die Hauptstadt der Kuru-Dynastie
anzugreifen.
Sri Balarama wußte sehr wohl, daß
die Menschen im
Kali-yuga schon bei der geringsten Spannung bereit sind,
miteinander zu kämpfen. Obwohl auch die beiden großen
Dynastien der Kurus und Yadus
bereits vom Kali-yuga
beeinflußt wurden, mißfiel Balarama die Vorstellung, daß
sie sich den Krieg erklären wollten. "Anstatt daß wir mit
ihnen kämpfen", dachte Er in Seiner Weisheit, "werde Ich
Mich zu ihnen begeben und die Lage erkunden; vielleicht
gelingt es Mir, den
Kampf durch eine gegenseitige
Aussprache zu verhindern." Balarama dachte, daß es Ihm
möglich sein würde, die Schlacht zu
verhindern, wenn
sich die Kurus dazu bewegen ließen,
Samba und seine
Braut Laksmana freizugeben. Er ließ
daher sogleich ein
schönes Pferdegespann vorfahren
um mit mehreren
erfahrenen Priestern und brahmanas sowie einigen älteren
Familienmitgliedern der Yadu-Dynastie nach Hastinapura
zu fahren. Er war überzeugt, daß
die Angehörigen der
Kuru-Dynastie der
Heirat Sambas und
Laksmanas
zustimmen würden, so daß ein
Bruderkrieg vermieden
werden konnte. Als Sri Balarama in
Begleitung der
gelehrten brahmanas und Familienältesten der Yadus auf
Seinem Wagen nach Hastinapura fuhr, sah Er aus wie der
Mond, der am klaren Himmel inmitten vieler
glänzender
Sterne leuchtet. Als Sri
Balarama das Gebiet von
Hastinapura erreichte, fuhr Er nicht
in die Stadt hinein,
sondern schlug Sein Lager bei einem kleinen Gartenhaus
auf, das sich in den Parkanlagen
außerhalb Hastinapuras
befand. Dann bat
Er Uddhava, die
Führer der
Kuru-Dynastie aufzusuchen und sie zu fragen, ob sie mit
den Yadus kämpfen wollten oder zu
einer friedlichen
Übereinkunft bereit seien. In Hastinapura
traf Uddhava
alle wichtigen
Führer der
Kuru-Dynastie, wie
Bhismadeva, Dhrtarastra, Dronacarya, Bali,
Duryodhana
und Bahlika, und nachdem er ihnen gebührende Achtung
erwiesen hatte, teilte er ihnen
mit, daß Sri Balarama
bereits in den Parkanlagen vor der Stadt angekommen sei.
Die Führer
der Kuru-Dynastie,
insbesondere
Dhrtarastra und Duryodhana, freuten sich
sehr, als sie
diese Neuigkeit hörten, denn sie
wußten, daß Sri Balarama ein großer Freund und Gönner
ihrer Familie war.
Ihre Freude kannte keine Grenzen,
und so hießen sie
Uddhava herzlich willkommen. Um Sri Balarama würdig
zu empfangen,
stellten sie
die verschiedensten
glückverheißenden Gaben zusammen und
begaben sich
durch das Stadttor, wo sie Sri
Balarama trafen. Jeder
begrüßte Sri Balarama
entsprechend seiner Stellung,
indem sie Ihm
prächtige Kühe
überreichten und
argha-Gaben** darbrachten. Weil sie alle Sri
Balaramas
erhabene Stellung als die Höchste
Persönlichkeit Gottes
kannten, verneigten sie sich vor Ihm mit großer Achtung.
Auch tauschten sie Begrüßungsworte aus und fragten sich
gegenseitig nach
dem Wohlergehen.
Als diese
Formalitäten beendet waren, ergriff Sri
Balarama mit
ernstem und geduldigem Ton das Wort und gab ihnen mit
Seinen Darlegungen folgendes
zu bedenken: "Meine
lieben Freunde, diesmal bin Ich als
Bote im Auftrag des
allmächtigen Königs Ugrasena zu euch gekommen. Bitte
hört daher
seiner Anweisung
mit sorgfältiger
Aufmerksamkeit zu und leistet dieser
Anweisung Folge,
ohne einen Augenblick zu verlieren.
König Ugrasena
weiß sehr wohl, daß ihr Krieger
der Kuru-Dynastie mit
dem frommen Samba, der allein war,
unritterlich gekämpft habt und daß
ihr ihn nur unter großen
Schwierigkeiten und mit List
gefangennahmt. Wir alle
hörten davon, doch wir sind darüber nicht sehr erzürnt, da
uns eine enge Verwandtschaft mit
euch verbindet. Ich
halte es nicht für richtig, daß unsere gute Beziehung unter
diesem Vorfall
leiden soll. Wir
sollten unsere
Freundschaft
aufrechterhalten und
nicht unnötig
miteinander kämpfen. Laßt also bitte Samba auf der Stelle
frei und bringt ihn zusammen mit seiner Braut Laksmana
zu Mir."
Als Sri Balarama Seine Worte in
solch befehlendem
Ton und
voller Heldenmut,
Erhabenheit und
Unerschrockenheit vortrug, waren die
Führer der Kuru-Dynastie alles andere als erfreut,
ja sie waren entrüstet
und gerieten außer sich vor Zorn.
"Was hören wir da!"
riefen sie. "Erstaunliche Worte sind das,
doch sie passen
genau zum Zeitalter des Kali; wie sonst könnte Balarama
so schmähend sprechen? Die Worte
und der Tonfall
Balaramas sind eine einzige Beleidigung.
Unter dem
Einfluß dieses Zeitalters scheint es,
daß die Schuhe, die
ihren Platz an den Füßen haben, die Stellung des Helmes
auf dem Kopf einnehmen wollen. Wir
sind mit der
Yadu-Dynastie durch Heirat verwandt, und
so bot sich
den Yadus die Gelegenheit, in
unsere Gemeinschaft zu
kommen, am selben Tisch zu essen
und bei uns zu
schlafen; nun aber nutzen sie diese Vorrechte aus. Bevor
wir ihnen einen
Teil unseres
Königreiches als
Herrschaftsgebiet übergeben haben, besaßen
sie so gut
wie nichts - und nun versuchen sie, uns zu befehlen. Wir
haben es der Yadu-Dynastie erlaubt,
die königlichen
Insignien zu gebrauchen, wie den Wedel, den Fächer, das
Muschelhorn, den weißen Baldachin, die
Krone, den
Thron, den erhöhten Sitzplatz, die Bettstatt und alles, was
sonst noch zum königlichen Stand
gehört. Eigentlich
hätten sie diese königlichen Würdezeichen
in unserer
Gegenwart gar nicht
verwenden dürfen, doch weil
zwischen uns so enge familiäre
Beziehungen bestanden,
haben wir sie nicht daran
gehindert. Nun aber erdreisten
sie sich, uns zu befehlen, was wir tun sollen. Nun gehen
sie zu weit in ihrer Unverschämtheit! Es geht nicht mehr,
daß sie sich solche Dinge erlauben, und wir werden nicht
mehr länger mit ansehen, daß sie
all diese königlichen
Würdezeichen tragen. Es ist das beste, ihnen diese Dinge
fortzunehmen, denn es ist unklug,
eine Schlange mit
Milch zu füttern, da solche
Barmherzigkeit ihr Gift nur
noch vergrößert. Die Yadu-Dynastie
versucht nun, sich
gegen uns, die wir sie gut ernährt haben, aufzulehnen. Ihr
ganzer Wohlstand beruht einzig und
allein auf unseren
Gaben und unserer Gnade, und
trotzdem sind sie so
undankbar und schamlos, daß sie versuchen, uns Befehle
zu erteilen. Wie bedauerlich dies
alles ist! Niemand auf
der Welt kann irgend etwas
genießen, solange nicht die
Mitglieder der Kuru-Dynastie, wie Bhisma,
Dronacarya
und Arjuna, ihre Erlaubnis dazu
gegeben haben. Das
Lamm lebt nur so lange, wie es der Löwe erlaubt! Ebenso
kann ohne unsere Zustimmung niemand
auch nur das
geringste genießen, nicht
einmal die Halbgötter im
Himmel, samt ihrem Oberhaupt Indra, von gewöhnlichen
Sterblichen ganz zu
schweigen!" Die Mitglieder der
Kuru-Dynastie waren
durch ihren
Reichtum, ihr
Königreich, ihre adelige Herkunft, ihre Familientradition,
ihre großen Krieger, ihre
Familienmitglieder und ihr
weitausgedehntes Imperium sehr hochmütig
geworden.
Sie hielten sich nicht einmal mehr
an die grundlegenden
Verhaltensregeln einer
zivilisierten Gesellschaft und
beleidigten die Yadu-Dynastie sogar in
Sri Balaramas
Gegenwart. Nachdem
sie solch
unverfrorene und
respektlose Reden geführt hatten, drehten sie sich um und
kehrten in ihre Stadt zurück.
Obwohl Sri Balarama
all diese Beleidigungen
zugelassen und ihr ungehöriges Verhalten
wortlos zur
Kenntnis genommen hatte, konnte man
doch an Seinem
Äußeren erkennen, daß unbeugsamer Zorn in Ihm loderte
und daß Er bereits über eine
fürchterliche Vergeltung
nachsann. Er sah so erregt aus,
daß kaum jemand es
wagte, Ihn auch nur anzuschauen. Er lachte laut
auf und
sagte: "Es ist tatsächlich wahr:
Wenn sich ein Mensch
zuviel auf seine
Familie, seinen
Reichtum, seine
Schönheit und seinen materiellen
Fortschritt einbildet,
will er nicht mehr in Frieden
leben, sondern fängt mit
jedem Streit an. Es ist sinnlos,
einem solchen Menschen
zu erklären, wie man sich gut benimmt und ein friedliches
Leben führt; vielmehr sollte man Mittel und Wege finden,
ihn zu bestrafen." Im allgemeinen
werden die Menschen
durch materiellen Reichtum zu Tieren,
und einem Tier
gute Ratschläge zu geben ist
sinnlos. Das einzige, was
hilft, ist das argumentum baculum, das heißt, das einzige
Mittel, unter Tieren Ordnung zu
halten, ist ein Stock.
Balarama fuhr fort: "Seht nur, wie
unverschämt die
Angehörigen der
Kuru-Dynastie sind!
Ich bin
hierhergekommen, um ein
friedliches Abkommen zu
schließen, obwohl alle anderen Mitglieder
der Yadu-Dynastie, selbst Sri Krsna, sehr zornig
sind. Sie wollten
schon das Königreich der Kurus
angreifen, doch Ich
besänftigte sie und machte Mir die
Mühe, persönlich
hierherzukommen, um die ganze
Angelegenheit friedlich
beizulegen. Doch schaut,
wie diese Schurken sich
verhalten! Es ist offensichtlich, daß
sie eine friedliche
Lösung gar nicht wollen, sondern daß sie in Wirklichkeit
nichts anderes als den Krieg suchen. Hochmütig haben sie
Mich wiederholt beleidigt, indem sie
die Yadu-Dynastie
grob beschimpften.
Selbst Indra, der König des
Himmels, gehorcht dem
Befehl der Yadu-Dynastie,
und ihr glaubt, König
Ugrasena, das Oberhaupt der Bhojas,
Vrsnis, Andhakas
und Yadavas, sei bloß ein kleiner Fürst mit einem kleinen
Heer! Welch köstliche
Ansichten! Ihr wißt König
Ugrasena nicht zu achten, obwohl sein Befehl selbst von
König Indra befolgt wird. Habt ihr vergessen, wie erhaben
die Stellung der Yadus ist? Sie haben sich gewaltsam des
Versammlungshauses und des parijata-Baumes
von den
himmlischen Planeten bemächtigt, und
trotzdem habt ihr
die Vermessenheit, immer noch zu
denken, sie könnten
euch keine Befehle erteilen. Ihr glaubt doch nicht etwa im
Ernst, Sri Krsna, die Höchste
Persönlichkeit Gottes, sei
unwürdig, auf dem erhöhten Königsthron
zu sitzen und
jedem Befehle zu erteilen? Nun gut!
Wenn ihr dies
tatsächlich glaubt, habt
ihr eine gründliche Lektion
verdient! Ihr habt gesagt, es sei
falsch, daß die Yadu-Dynastie die königlichen Insignien
verwende, wie den
Wedel, den
Fächer, den
weißen Baldachin, den
Königsthron und andere Würdezeichen des
Königsstandes. Wollt ihr damit sagen, daß selbst Sri Krsna, der Herr
der gesamten
Schöpfung und der
Gemahl der
Glücksgöttin, diese Würdezeichen nicht verwenden dürfe?
Der Staub von den Lotosfüßen Sri Krsnas wird von allen
großen Halbgöttern verehrt. Und weil
der Ganges, der
durch das ganze Universum fließt, von Seinen Lotosfüßen
ausgeht, haben sich seine Ufer in vielbesuchte Pilgerstät-ten verwandelt. Die führenden Halbgötter
aller Planeten
beschäftigen sich in Seinem Dienst und schätzen sich sehr
glücklich, den Staub von Seinen
Lotosfüßen auf ihre
Helme reiben zu dürfen. Große
Halbgötter, wie Brahma
und Siva, sowie die Glücksgöttin, ja sogar Ich Selbst, sind
lediglich
Teilerweiterungen
Seiner spirituellen
Persönlichkeit - und ihr glaubt immer noch, Er sei es nicht
wert, die königlichen Würdezeichen zu
verwenden oder
auf dem Königsthron zu sitzen? Ach, wie bedauerlich es
ist, daß diese
Dummköpfe uns, die
Mitglieder der
Yadu-Dynastie, mit Schuhen vergleichen
und sich selbst
mit Helmen. Nun ist
es klar, daß die
Führer der
Kuru-Dynastie durch ihren weltlichen
Besitz und durch
ihren Reichtum verrückt geworden sind.
Alles, was sie
vorbrachten, war voll verrückter
Anmaßungen. Ich muß
sie auf der Stelle zur Rechenschaft ziehen und sie wieder
zur Vernunft bringen. Wenn Ich
nichts gegen sie unternehme, wäre dies ein großer Fehler
Meinerseits. Ich
werde daher noch heute jegliche Spur der Kuru-Dynastie
vom Erdboden verschwinden lassen. Jawohl,
Ich werde
sie kurzerhand ausrotten!" Als Sri
Balarama dies sagte,
sah Er so zornig aus, als wolle Er im nächsten Augenblick
die gesamte
kosmische Manifestation
zu Asche
verbrennen. Er richtete Sich auf, ergriff Seine Pflugschar
und schlug mit ihr auf den
Boden. Dadurch löste sich
ganz Hastinapura vom Festland, und Sri Balarama machte
Sich daran, die Stadt in Richtung Ganges zu ziehen. Dabei
liefen schwere Erschütterungen wie bei
einem Erdbeben
durch Hastinapura, und die ganze
Stadt drohte in sich
zusammenzubrechen.
Als die Angehörigen der Kuru-Dynastie sahen, daß ihre
Stadt nahe daran war, in die Fluten des Ganges zu stürzen,
und als sie die Angstschreie der
Bürger vernahmen,
kamen sie zur Vernunft und
verstanden, was geschah.
Ohne auch nur eine Sekunde zu
verlieren, brachten sie
daher ihre Tochter Laksmana und Samba, ihren Entführer,
herbei, und auf diese Weise begaben
sie sich, angeführt
von Samba, dem Laksmana folgte, zu
Sri Balarama. Mit
gefalteten Händen
erschienen die
Mitglieder der
Kuru-Dynastie vor Sri Balarama, um Ihn,
die Höchste
Persönlichkeit Gottes, um Vergebung zu
bitten. Diesmal
waren sie vernünftiger und sagten:
"O Sri Balarama, Du
bist der Quell aller Freude. Du
bist der Erhalter und die
Stütze des gesamten Kosmos. Aber leider waren
wir uns
Deiner unvorstellbaren Kräfte nicht bewußt. Lieber Herr,
betrachte uns bitte als
die größten Narren. Unsere
Intelligenz war verwirrt. Wir sind
daher zu Dir gekommen, um Dich um Verzeihung zu bitten. Bitte vergib uns.
Du bist der
ursprüngliche Schöpfer, Erhalter und
Vernichter der gesamten kosmischen
Manifestation, und
trotzdem befindest Du Dich stets in einer transzendentalen
Stellung. O allmächtiger
Herr, die großen Weisen
sprechen über nichts anderes als
über Dich. Du bist der
ursprüngliche Puppenspieler, und alles Existierende in der
Welt ist wie Dein Spielzeug. O unbegrenzter Herr, hinter
allem stehst Du. Du trägst
alle Planetensysteme auf
Deinem Kopf, als sei es ein
Kinderspiel. Wenn die Zeit
der Vernichtung kommt, nimmst Du die ganze materielle
Manifestation in Dich auf, und dann gibt es nur noch Dich
allein, der Du als
Maha-Visnu auf dem
Ozean der
Ursachen ruhst. Lieber
Herr, Du bist in Deinem
transzendentalen Körper auf der Erde erschienen, um die
kosmische Ordnung aufrechtzuerhalten. Du
bist jenseits
von Zorn, Neid und Feindschaft. Alles, was Du tust, selbst
in Form von Bestrafungen, ist für
die ganze Schöpfung
glückverheißend. Wir bringen Dir unsere
achtungsvollen
Ehrerbietungen dar, denn Du bist
die unvergängliche
Höchste Persönlichkeit Gottes, das
Behältnis aller Füllen
und Kräfte. O Schöpfer unzähliger
Universen, wir fallen
vor Dir zu Boden und bringen
Dir immer wieder unsere
achtungsvollen Ehrerbietungen dar. Wir
sind Dir nun
völlig ergeben. Sei uns daher bitte barmherzig gesinnt, o
Herr, und gewähre uns
Deinen Schutz." Als die
berühmten Mitglieder der Kuru-Dynastie, angefangen mit
Großvater Bhismadeva
bis hin zu
Arjuna und
Duryodhana, auf diese Weise ihre
ehrfürchtigen Gebete
dargebracht hatten, zeigte
die Höchste Persönlichkeit
Gottes, Sri Balarama, sogleich Sanftmut
und versicherte
ihnen, daß sie nichts mehr zu befürchten hätten.
Unter den ksatriya-Königen war es ein weitverbreiteter
Brauch, daß es vor einer Hochzeit zwischen der Partei der
Braut und des Bräutigams zu einem
Kampf kam. Als
Samba Laksmana entführte,
waren die Ältesten der
Kuru-Dynastie sehr erfreut, zu sehen, daß er ein würdiger
Mann für ihre Tochter war; doch weil sie sich von seiner
Kraft überzeugen wollten, kämpften sie
mit ihm und
nahmen ihn, ohne jede Rücksicht auf
die Kampfregeln,
gefangen. Als die Yadus dann beschlossen, Samba aus der
Gewalt der Kurus zu
befreien, kam Sri Balarama
persönlich, um die Angelegenheit zu regeln, und da Er ein
mächtiger ksatriya-König war, befahl Er
den Kurus,
Samba unverzüglich freizulassen. Als die Kauravas diesen
Befehl vernahmen, fühlten sie sich
scheinbar beleidigt,
und so forderten sie Sri Balaramas
Macht heraus. Im
Grunde jedoch wollten sie nur
sehen, wie Er Seine
unergründliche Stärke offenbaren würde.
Deshalb gaben
sie nun Samba voller Freude die Hand ihrer Tochter, und
so fand die ganze Angelegenheit ein
glückliches Ende.
Duryodhana, der seiner Tochter Laksmana sehr zugeneigt
war, veranstaltete für sie eine
pompöse Hochzeitsfeier.
Als Mitgift übergab er ihr zuerst
1.200 Elefanten, von
denen jeder mindestens 60 Jahre alt war; dazu gab er 10.000 prächtige Pferde, 6.000 Streitwagen,
die wie die
Sonne glänzten, und 1.000 Dienerinnen, die mit goldenem
Geschmeide geschmückt waren.
Sri Balarama, das
berühmteste Mitglied der
Yadu-Dynastie, wirkte als
Sambas Trauzeuge und nahm mit
Freuden die Mitgift
entgegen. Balarama war
mit der großartigen und
feierlichen Aufnahme, die Ihm die Kurus bereitet hatten,
sehr zufrieden, und in Begleitung
des frischvermählten
Paares machte Er Sich
auf den Rückweg in Seine
Hauptstadt Dvaraka.
Im Triumph erreichte Sri Balarama Dvaraka, wo Er mit
vielen Bürgern zusammentraf, die alle
Seine Geweihten
und Freunde waren. Als sie sich alle um Ihn versammelt
hatten, erzählte Er
ihnen die ganze
Geschichte von
Sambas Heirat, und sie waren sehr erstaunt, als sie hörten,
wie Balarama die Stadt Hastinapura hatte erbeben lassen.
Sukadeva Gosvami bestätigt, daß Hastinapura
an der
Stelle lag, wo sich heute Neu-Delhi
befindet. Der Fluß,
der durch die Stadt fließt, ist heute als Yamuna
bekannt,
obwohl er in jenen Tagen als Ganges bezeichnet wurde. In
diesem Zusammenhang weisen große
Autoritäten, wie
Jiva Gosvami, darauf hin, daß es sich bei dem Ganges und
der Yamuna um den gleichen Fluß handelt, der lediglich
verschiedenen Läufen folgt. Der Teil
des Ganges, der
durch Hastinapura in das Gebiet von
Vrndavana fließt,
wird als Yamuna
bezeichnet, da er
durch die
transzendentalen Spiele Sri Krsnas geheiligt ist.
Der Teil
von Hastinapura, der sich gegen die Yamuna hin erstreckt,
wird während der Regenzeit überflutet, und dies
erinnert
jeden an Sri Balaramas Drohung, die Stadt in den Ganges
zu stürzen.
---
* Durch das mechanische System des mystischen yoga
können die Lebenslüfte
im Körper unter Kontrolle
gebracht und die Sinne beherrscht werden, indem man sie
davon abhält, sich mit
etwas anderem als mit
der
Meditation über Sri Visnu zu beschäftigen.
** argha -
eine Zusammenstellung
mehrerer
Gegenstände, wie z.B. aratrika-Wasser,
Süßigkeiten aus
Honig, Butter usw., Blumen und
Girlanden, die mit
wohlriechenden Essenzen besprengt sind.
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 67. Kapitel des Krsna-Buches:
"Die Heirat Sambas".