Nachdem König Yudhisthira die Einzelheiten über die
Auseinandersetzung mit Jarasandha vernommen
hatte,
war er überglücklich, und so sprach
er: "Mein lieber
Krsna, o ewige Gestalt
der Glückseligkeit und des
Wissens, all die erhabenen
Persönlichkeiten, die für die
Geschehnisse in der materiellen Welt verantwortlich sind,
wie Brahma, Siva und Indra, sind stets
begierig, Befehle
von Dir zu erhalten und sie
ausführen zu dürfen, und
jedesmal, wenn sie das Glück haben, solche Anordnungen
zu empfangen, nehmen
sie diese sogleich an
und
bewahren sie in ihrem
Herzen. O Krsna, Du bist
unbegrenzt, und obwohl wir uns
manchmal für große
Könige und Herrscher der Welt halten und uns auf unsere
armselige Stellung viel einbilden, haben
wir im Herzen
eine erbärmliche Haltung. Eigentlich
verdienen wir es,
von Dir bestraft zu werden, doch das Verwunderliche ist,
daß Du uns gegenüber
statt dessen so gütig
und
barmherzig
bist und
sogar
unsere Befehle
entgegennimmst und sie mit aller
Sorgfalt ausführst. Es
gibt Menschen, die sehr verwirrt sind, wenn sie hören, daß
Du, o Herr, die Rolle eines
gewöhnlichen Menschen
spielen kannst; doch
wir wissen, daß Du
wie ein
Schauspieler agierst. Deine wirkliche
Stellung ist immer
erhaben wie die der Sonne, die sowohl beim Aufgehen als
auch beim Untergehen
immer dieselbe Temperatur
aufweist. Wir mögen zwar zwischen Sonnenaufgang und
Sonnenuntergang Temperaturunterschiede wahrnehmen,
doch die Temperatur der Sonne wandelt sich niemals. Du
befindest Dich
immer in
transzendentaler Ausgeglichenheit, weshalb Dich materielle
Angelegenheiten
weder stören noch
erfreuen. Du bist das
Höchste
Brahman, die Persönlichkeit Gottes, und für Dich gibt es
keine Relativität. Lieber Madhava, Du
bist unbesiegbar.
Materielle Unterscheidungen, wie 'Dies
bin ich, und das
bist du', 'Dies ist mein, und das ist dein' sind in Dir nicht
zu finden. Solche Unterscheidungen treten im Leben eines
jeden auf, selbst bei Tieren; nur die reinen Gottgeweihten
sind von diesen falschen Unterscheidungen
frei. Wenn
schon Deine Geweihten diese falschen Unterscheidungen
überwunden haben, wie könnten sie
dann bei Dir zu
finden sein?"
Nachdem König Yudhisthira diese Worte
zu Krsnas
Wohlgefallen gesprochen
hatte, begann
er, das
rajasuya-Opfer vorzubereiten. Er lud alle
qualifizierten
brahmanas und Weisen ein, daran teilzunehmen, und wies
ihnen verschiedene Aufgaben als Priester zu, für die sie in
der Opferarena verantwortlich waren. Die
erfahrensten
brahmanas und Weisen wurden eingeladen,
und zwar:
Krsna-dvaipayana Vyasadeva,
Bharadvaja, Sumantu,
Gautama, Asita, Vasistha, Cyavana, Kanva,
Maitreya,
Kavasa, Trita, Visvamitra, Vamadeva,
Sumati, Jaimini,
Kratu, Paila, Parasara, Garga,
Vaisampayana, Atharva,
Kasyapa, Dhaumya, Parasurama,
Sukracarya, Asuri,
Vitihotra, Madhucchanda, Virasena
und Akrtavrana.
Neben diesen brahmanas und Weisen lud der König auch
die ehrwürdigen
Ältesten der
Dynastie ein, wie
Dronacarya, Bhisma, der
als Großvater der Kurus
bezeichnet wird, Krpacarya und
Dhrtarastra. Er lud die
Söhne Dhrtarastras ein, die von
Duryodhana angeführt
wurden, und auch den großen
Gottgeweihten Vidura.
Ebenso wurden Könige aus den
verschiedensten Teilen
der Welt zusammen mit ihren
Ministern und Sekretären
eingeladen, und selbst die Bürger
des Staates - wie
gelehrte brahmanas, tapfere
ksatriyas, wohlhabende
vaisyas und wackere sudras - kamen, um der Zeremonie
beizuwohnen.
Die brahmana-Priester und die Weisen,
die für die
Opferzeremonie verantwortlich
waren, errichteten die
Opferarena, wobei sie wie üblich
einen goldenen Pflug
verwendeten, und in Übereinstimmung mit den vedischen
Riten weihten sie König Yudhisthira
zum Ausführenden
des großen Opfers. Als vor langer Zeit einmal Varuna ein
ähnliches Opfer vollzog, waren alle Gegenstände, die dabei verwendet wurden, aus Gold angefertigt gewesen, und
ebenso bestanden
auch bei
König Yudhisthiras
rajasuya-Opfer alle Gegenstände aus purem Gold.
Um an der großen Opferzeremonie König Yudhisthiras
teilzunehmen, kamen auf
dessen Einladung hin alle
großen Halbgötter
- wie Brahma,
Siva und der
Himmelskönig Indra - in Begleitung
ihrer Gefolgschaft,
und dazu erschienen auch die herrschenden Gottheiten der
höheren Planetensysteme wie Gandharvaloka, Siddhaloka,
Janaloka, Tapoloka, Nagaloka, Yaksaloka,
Raksasaloka,
Paksiloka und Caranaloka sowie viele
berühmte Könige
mit ihren Königinnen, um auf diese
Weise ebenfalls
König Yudhisthiras Einladung Folge zu
leisten. Alle
ehrwürdigen Weisen, Könige und Halbgötter, die sich dort
versammelten, waren sich
darin einig, daß König
Yudhisthira wahrhaft geeignet war, die Verantwortung für
das rajasuya-Opfer zu tragen; es gab niemanden, der dem
widersprochen hätte. Sie
alle kannten die Stellung
Maharaja Yudhisthiras. Weil er ein großer Geweihter Sri
Krsnas war, gab es keine Aufgabe, die für ihn zu gewaltig
gewesen wäre. Die gelehrten brahmanas
und Priester
achteten mit
aller Sorgfalt
darauf, daß Maharaja
Yudhisthira die Opferzeremonie genauso durchführte, wie
es in vergangenen Zeiten einmal der
Halbgott Varuna
getan hatte.
Immer wenn
eine Opferzeremonie
durchgeführt wurde, war es in der
vedischen Kultur
Brauch, daß den Teilnehmern an
diesem Opfer der Saft
der soma-Pflanze
gereicht wurde.
Der Saft der
soma-Pflanze ist ein lebensspendender
Trank. An dem
Tag, an dem der soma-Saft gewonnen
wurde, empfing
König Yudhisthira mit großem Respekt
den Priester, der
besonders damit betraut war, auf alle etwaigen Fehler bei
der Ausführung der
Opfervorgänge aufmerksam zu
machen. Die vedischen mantras müssen
nämlich korrekt
ausgesprochen und mit der richtigen Betonung gechantet
werden. Wenn den Priestern beim
Chanten irgendein
Fehler unterlief, wurden sie sofort
vom Überwacher,
einem sachverständigen Priester, berichtigt,
so daß die
einwandfreie Durchführung der Rituale gewährleistet war.
Wenn ein Opfer nicht perfekt durchgeführt wird, kann es
nicht zum gewünschten
Ergebnis führen. Da es
im
gegenwärtigen Zeitalter, dem
Kali-yuga, keine solch
gelehrten brahmanas und Priester mehr
gibt, sind alle
Opfer dieser Art untersagt. Das einzige Opfer, das in den
sastras empfohlen
wird, ist
das Chanten des
Hare-Krsna-mantra.
Eine weitere wichtige Zeremonie im
Ablauf eines
solchen Opfers
besteht darin,
der erhabensten
Persönlichkeit unter den Anwesenden als
erstes eine
Verehrung darzubringen. Nachdem alle
Vorbereitungen
für Yudhisthiras Opfer getroffen worden
waren, begann
man daher zu überlegen, wer im
Rahmen dieses großen
Opfers zuerst verehrt werden sollte.
Diese besondere
Verehrung wird agrapuja genannt; agra bedeutet "zuerst"
und puja "Verehrung". Die agrapuja ist vergleichbar mit
der Wahl eines Präsidenten. Da alle Teilnehmer an diesem
Opferzeremoniell erhabene Persönlichkeiten
waren, gab
es die verschiedensten Vorschläge und
Gegenvorschläge
von Kandidaten, die für würdig
befunden wurden, die
agrapuja entgegenzunehmen.
Als es zu keiner Entscheidung kam,
ergriff Sahadeva
das Wort und schlug Sri Krsna vor. Er sagte: "Sri Krsna,
der beste unter den Angehörigen der
Yadu-Dynastie und
der Beschützer Seiner
Geweihten, ist die erhabenste
Persönlichkeit in unserer Versammlung.
Deshalb bin ich
der Ansicht, daß es nichts dagegen
einzuwenden gibt,
wenn wir zuerst Ihn verehren und verherrlichen. Obwohl
hier in der Versammlung große Halbgötter, wie Brahma,
Siva und der Himmelskönig Indra,
und viele andere
vortreffliche Persönlichkeiten zugegen sind,
gibt es niemanden, der Krsna überragt oder Ihm
in irgendeiner
Beziehung gleichkommt - weder in bezug auf Zeit, Raum,
Reichtum, Kraft, Ruhm, Weisheit,
Entsagung oder in
irgendeiner anderen Weise. Alles, was
als vortrefflich
angesehen wird, befindet sich ursprünglich in
Krsna. So,
wie die individuelle
Seele die Grundlage für
die
Entwicklung des materiellen Körpers ist,
so ist Krsna
Seinerseits die Überseele
der gesamten kosmischen
Manifestation. Alle rituellen Vorgänge der Veden, wie die
Durchführung von Opferzeremonien, das Darbringen von
Opfergaben im Feuer, das Chanten der vedischen Hymnen
und die Ausübung von mystischem yoga, haben das eine
Ziel, Krsna zu
erkennen. Ob man dem
Pfad der
fruchtbringenden
Tätigkeiten
oder
dem der
philosophischen Spekulation folgt - das endgültige Ziel ist
Krsna. Mit anderen Worten, alle
autorisierten Methoden
der Selbstverwirklichung führen letztlich
dazu, Krsna zu
verstehen. Verehrte Damen und Herren, es ist überflüssig,
noch mehr über Sri Krsna zu sagen, denn jeder von euch
ehrenwerten Persönlichkeiten kennt Ihn, Sri
Krsna, das
Höchste Brahman,
für den es
keine materiellen
Unterschiede gibt wie den Unterschied
zwischen Körper
und Seele, zwischen Energie und
Energieursprung oder
einem Körperteil und einem anderen.
Weil jeder ein
winziger Teil Krsnas ist, besteht
qualitativ gesehen kein
Unterschied zwischen Krsna und den Lebewesen. Alles ist
eine Erweiterung von Krsnas Energien,
der materiellen
oder der spirituellen Energie. Krsnas
Energien sind wie
die Wärme und das Licht des
Feuers. Es besteht kein
qualitativer Unterschied zwischen der Wärme, dem Licht
und dem Feuer selbst."
"Krsna besitzt auch die Macht, mit
jedem Teil Seines
Körpers zu tun, was Ihm beliebt.
Wir können eine
bestimmte Tätigkeit nur mit einem
ganz bestimmten
Körperteil verrichten, doch Er kann alles ausnahmslos mit
jedem beliebigen Teil Seines Körpers tun. Und weil Sein
transzendentaler Körper
ewig voller
Wissen und
Glückseligkeit ist,
unterliegt Er
nicht den sechs
materiellen Wandlungen - Geburt, Dasein,
Wachstum,
fruchtbringendes Handeln, Verfall und Vergehen. Er wird
niemals von irgendeiner äußeren Energie beeinflußt; Er ist
die höchste Ursache der
Schöpfung, Erhaltung und
Vernichtung alles Existierenden. Nur durch Krsnas Gnade
können die Lebewesen der Ausübung
von Religiosität,
wirtschaftlicher Entwicklung,
Sinnenbefriedigung und
letzten Endes dem
Streben nach Befreiung
von der
materiellen Gefangenschaft nachgehen. Es
ist allein auf
Krsnas Barmherzigkeit zurückzuführen, daß
diese vier
Prinzipien des Fortschritts im Leben
ausgeführt werden
können. Deshalb gebührt Ihm die
erste Verehrung in
dieser großen Opferzeremonie, und niemand
sollte dem
widersprechen. Ebenso wie man die Äste, Zweige, Blätter
und Blüten eines Baumes nährt, wenn
man die Wurzel
begießt, und ebenso wie
die Ernährung und der
Stoffwechsel für alle Körperteile gewährleistet sind, wenn
man dem Magen Nahrung zuführt, so werden alle, die zu
diesem Treffen gekommen sind - die
großen Halbgötter
nicht ausgenommen -, zufriedengestellt
sein, wenn wir
Krsna als ersten
verehren. Für jeden,
der Spenden
darbringen möchte, ist es das beste, diese einzig und allein
Krsna zu geben, der
die Überseele eines
jeden ist,
unabhängig vom Körper und von der
Persönlichkeit des
Lebewesens. Krsna
weilt als
Überseele in jedem
Lebewesen, und wenn wir Ihn
zufriedenstellen können,
werden auch alle anderen Lebewesen
zufriedengestellt
sein."
Sahadeva war in der glücklichen Lage, die Herrlichkeit
Krsnas zu kennen, und nachdem er
sie kurz beschrieben
hatte, schwieg er. Kaum hatte er
geendet, applaudierten
alle Teilnehmer dieser großen Versammlung, und überall
ertönten laute Beifallsrufe: "Alles, was du gesagt hast, ist
völlig richtig! Alles, was du gesagt hast, ist völlig richtig!"
König Yudhisthira, der
die Zustimmung aller Anwesenden, insbesondere der brahmanas und
der Weisen,
vernahm, machte sich daran, Sri Krsna entsprechend den
in den
Veden vorgeschriebenen
Prinzipien und
Anweisungen zu verehren.
Gemeinsam mit seinen
Brüdern, Frauen, Kindern und anderen Anverwandten und
den Ministern wusch König Yudhisthira
als erstes Sri
Krsnas Lotosfüße und versprengte das
Wasser über ihre
Köpfe. Darauf
überreichten sie
Sri Krsna die
verschiedenartigsten Gewänder aus
gelber Seide und
häuften Berge von Juwelen und
anderem Schmuck zu
Seiner Verfügung vor Ihm auf.
Als König Yudhisthira Krsna, das
einzige Ziel seiner
Liebe, verehrte, geriet er in
solche Ekstase, daß ihm
Tränen aus den Augen strömten, und
deshalb konnte er
Sri Krsna gar nicht richtig sehen,
so gern er es auch
wollte. Währenddessen standen alle
Anwesenden mit
gefalteten Händen auf und begannen
zu chanten: "Jaya!
Jaya! Namah! Namah!" Während sie
alle gemeinsam
Krsna ihre Ehrerbietungen
darbrachten, regnete es
Blumen vom Himmel.
Mitten unter den
Versammelten befand sich auch
König Sisupala. Er war
aus vielen Gründen Krsnas
geschworener Feind; vor allem deshalb, weil Krsna seine
versprochene Braut, Rukmini, kurz vor ihrer Vermählung
geraubt hatte. Er konnte es daher
nicht ertragen, daß
Krsna so viel Ehre
erwiesen wurde und daß
alle
Anwesenden Seine Eigenschaften
verherrlichten. Statt
sich also zu freuen, über den Ruhm
des Herrn zu hören,
ärgerte er sich sehr. Als sich jeder erhob, um Krsna seine
Ehrerbietung zu erweisen, blieb Sisupala
als einziger
sitzen. Dann aber konnte er den
Anblick von Krsnas
Verehrung nicht mehr länger aushalten.
Wutschnaubend
sprang er plötzlich auf, streckte
seine Hand in die Luft
und begann, heftig und furchtlos eine Rede
gegen Krsna
zu führen. Dabei sprach er so laut, daß Krsna ihn deutlich
hören konnte.
"Meine Damen und
Herren!" rief Sisupala, "ich
verstehe nun die Aussage der Veden, daß die Zeit letztlich
die allesbeherrschende Kraft
ist. Trotz all unserer
Gegenanstrengungen führt die Zeit ungehindert ihren Plan
aus. So kann man zum Beispiel
alles versuchen, um das
Leben zu verlängern, doch wenn die
Stunde des Todes
kommt, gibt es kein Entrinnen. Hier nun muß ich sehen,
daß der Einfluß der Zeit so stark ist, daß sich sogar diese
Versammlung von unerschütterlichen
Persönlichkeiten
von den Worten eines Knaben hat
irreführen lassen, der
törichtes Zeug über
Krsna redete. Unter den
hier
Versammelten befinden sich zwar viele
gelehrte Weise
und hochbetagte, respektable Persönlichkeiten,
doch sie
alle haben den Worten eines dummen
Jungen Gehör
geschenkt. Das zeigt, daß durch den
Einfluß der Zeit
sogar die Intelligenz solch ehrwürdiger
Persönlichkeiten
wie der hier Versammelten der
Täuschung unterliegen
kann. Ich teile
zwar durchaus die
Meinung der
ehrenwerten Anwesenden, daß sie in
der Lage sind, die
Persönlichkeit zu finden, die als erste verehrt werden soll;
doch ich kann unmöglich den Worten
eines Knaben wie
Sahadeva zustimmen, der
Krsna so überschwenglich
lobpries und behauptete, Krsna stehe
es zu, die erste
Ehrung bei der Opferzeremonie zu
empfangen. Ich sehe
unter den Versammelten viele
Persönlichkeiten, die sich
große Entsagung auferlegt haben, die
hochgelehrt sind
oder viele Bußen auf sich genommen
haben. Durch ihr
Wissen und ihre Führung können sie viele Menschen, die
unter den Qualen des materiellen Daseins leiden, befreien.
Es sind viele große rsis zugegen,
deren Wissen keine
Grenzen
kennt,
sowie viele
selbstverwirklichte
Transzendentalisten und brahmanas. Meiner
Meinung
nach hätte jedem von
ihnen die erste Verehrung
zugesprochen werden können, werden sie doch von allen
großen Halbgöttern, Königen und Kaisern
verehrt. Es ist
mir dagegen völlig unverständlich, wie ihr zum Spott all
dieser großen Persönlichkeiten einen Kuhhirtenjungen wie
Krsna wählen konntet. Ich sage
euch, Krsna ist nicht
besser als eine Krähe - wie kann Er Sich dazu eignen, bei
dieser großen Opferzeremonie die erste
Verehrung zu
empfangen? Es läßt sich nicht
einmal feststellen, zu
welcher Kaste dieser Krsna gehört
und welches Seine
vorgeschriebenen Pflichten sind."
Tatsächlich gehört Krsna keiner Kaste
an, und für Ihn
gibt es auch keine vorgeschriebenen
Pflichten. In den
Veden wird beschrieben, daß der
Höchste Herr keinen
Pflichten nachzukommen braucht.
Alles, was getan
werden muß, wird für Ihn von
Seinen verschiedenen
Energien ausgeführt.
Sisupala fuhr fort: "Krsna gehört
nicht einmal einer
hohen Familie an. Er ist so
unabhängig, daß niemand
weiß, nach welchen religiösen Prinzipien
Er lebt. Es hat
ganz den Anschein, daß Er Sich außerhalb aller religiösen
Prinzipien bewegt. Er
handelt stets unabhängig und
kümmert Sich nicht um
vedische Anweisungen und
regulierende Prinzipien. Deshalb
hat Er keine guten
Eigenschaften." Indirekt lobpries Sisupala
Krsna, als er
sagte, die vedischen Anweisungen hätten für Krsna keine
Gültigkeit. Dies stimmt natürlich, denn
Krsna ist die
Höchste Persönlichkeit Gottes. Wenn
gesagt wird, Krsna
habe keine Eigenschaften, dann bedeutet
dies, daß Er
keine materiellen Eigenschaften
besitzt. Weil Er die
Höchste Persönlichkeit Gottes
ist, handelt Er völlig
unabhängig,
ohne
Sich
um Förmlichkeiten,
gesellschaftliche Pflichten
oder religiöse Prinzipien
kümmern zu müssen.
Sisupala sprach weiter: "Wie kann
Krsna unter diesen
Umständen würdig
sein, die
erste Verehrung
entgegenzunehmen? Krsna ist so töricht, daß Er die Stadt
Mathura verließ, in der höchst
ehrbare Bürger leben, die
der vedischen Kultur folgen, um
Sich statt dessen aufs
Meer zurückzuziehen, wo von den
Veden nicht einmal
gesprochen wird. Statt offen unter
uns zu leben, hat Er
Sich eine Festung im Meer gebaut und lebt dort
in einer
Umgebung, in der niemals vedisches Wissen erörtert wird.
Und jedesmal, wenn Er aus Seiner Festung hervorkommt,
plagt Er die Bürger wie ein
Räuber, ein Verbrecher, ein
Schurke!"
Sisupala war ganz außer sich, weil
Krsna in dieser
Versammlung von erhabenen
Persönlichkeiten dazu
auserwählt worden war, als erster
verehrt zu werden.
Seine Worte waren so unverschämt und leichtsinnig, daß
es schien, als habe ihn bereits
alles Glück verlassen.
Unglückselig wie er war, fuhr er
fort, Krsna zu beschimpfen, und der Herr hörte
geduldig zu, ohne ihm
Einhalt zu gebieten. Er schwieg und
blieb gelassen wie
ein Löwe, der nicht auf das
Geheul einer Meute von
Schakalen achtet. Krsna antwortete auf
keinen einzigen
der Vorwürfe Sisupalas,
doch alle Mitglieder der
Versammlung, außer einigen wenigen, die
auf Sisupalas
Seite standen, empörten sich sehr, denn es ist
die Pflicht
jedes ehrbaren Menschen, keine Schmähung
gegen Gott
oder Seinen Geweihten zu dulden.
Einige, die sich für
außerstande hielten,
etwas gegen
Sisupala zu
unternehmen, verließen aus Protest die
Versammlung,
wobei sie sich mit den Händen
die Ohren zuhielten, um
keine weiteren Beleidigungen mitanhören
zu müssen. So
verließen viele die
Versammlung und verdammten
Sisupalas Frevel. Es ist eine
vedische Anweisung, daß
man einen Ort, an dem die Höchste Persönlichkeit Gottes
geschmäht wird, augenblicklich verlassen muß. Unterläßt
man dies, wird man aller Ergebnisse
seiner frommen
Werke beraubt und sinkt zu niederen Lebensbedingungen
ab.
Die anwesenden Könige -
Mitglieder der Kuru-,
Matsya-, Kekaya- und Srnjaya-Dynastie -
konnten sich
vor Zorn nicht mehr halten und griffen sogleich zu ihren
Schwertern und Schilden, um Sisupala
zu töten. Aber
Sisupala war so verblendet, daß ihn diese Bedrohung nicht
im geringsten beunruhigte, ganz zu schweigen davon, daß
er sich um das Für und Wider seiner törichten Reden gekümmert hätte. Er ging sogar so
weit, daß er beim
Anblick der zornigen Könige, die
bereit waren, ihn zu
töten, ebenfalls Schwert und Schild
in die Hand nahm
und, statt endlich zu schweigen,
sich ihnen zum Kampf
stellte. Als Sri Krsna sah, daß die
Könige im Begriff
waren, an der Stätte
des geweihten rajasuya-yajna
gegeneinander zu kämpfen, beschwichtigte
Er sie und
entschloß Sich in
Seiner grundlosen Barmherzigkeit,
Sisupala persönlich zu töten. Als
Sisupala nun auch die
Könige, die ihn
angreifen wollten, beschimpfte,
schleuderte Sri Krsna Sein Feuerrad los,
das scharf wie
eine Rasierklinge war, und trennte
kurzerhand Sisupalas
Kopf vom Rumpf.
Als Sisupala auf diese Weise
getötet wurde, ging ein
tosender Aufschrei durch
die Menge. Die wenigen
Könige, die auf Sisupalas Seite
standen, nutzten diesen
Moment, um die Versammlung eilends
zu verlassen, da
sie um ihr Leben fürchteten. Währenddessen jedoch ging
die vom Glück begünstigte Seele Sisupalas vor den Augen
aller Anwesenden sofort in Sri Krsnas Körper ein wie ein
leuchtender Meteorit, der auf die
Oberfläche der Erde
stürzt. Das Eingehen von Sisupalas
Seele in Krsnas
transzendentalen Körper erinnert uns an
die Geschichte
von Jaya und Vijaya, die aufgrund
des Fluches der vier
Kumaras von den Vaikuntha-Planeten in
die materielle
Welt hinabfielen. Es war Jaya und
Vijaya bestimmt,
dreimal hintereinander als Todfeinde des
Herrn geboren
zu werden; erst dann sollte es ihnen wieder erlaubt sein, in
die Vaikuntha-Welt zurückzukehren und dem
Herrn als
Seine Gefährten zu dienen.
Obwohl Sisupala als Krsnas Feind
aufgetreten war,
hatte es niemals einen Augenblick
gegeben, wo er nicht
im Krsna-Bewußtsein vertieft war. Da er ständig an Krsna
gedacht hatte, erlangte er zuerst
Erlösung in Form von
sayujya-mukti, was bedeutet, daß er
in die Existenz des
Höchsten einging,
und wurde später
zu seiner
ursprünglichen Stellung als persönlicher Diener des Herrn
erhoben. Dies wird in der
Bhagavad-gita bestätigt: Wer
zum Zeitpunkt des Todes in Gedanken
an den Höchsten
Herrn vertieft ist, wird gleich
nach dem Verlassen des
materiellen Körpers in das Königreich
Gottes erhoben.
Nach Sisupalas Erlösung überreichte König
Yudhisthira
allen Teilnehmern der Opferversammlung
Geschenke,
und er belohnte
insbesondere die Priester
und die
gelehrten Weisen
in reichlichem
Maße für ihre
Bemühungen bei der Ausführung des Opfers. Nachdem er
all diesen üblichen Pflichten nachgekommen war, nahm er
zum Abschluß des Opfers ein Bad,
das avabhrtha-Bad
genannt wird und
ebenfalls zum festen
Ablauf der
Opferzeremonie gehört.
So ermöglichte es Sri Krsna, daß
König Yudhisthiras
rajasuya-yajna zu einem Erfolg wurde.
Anschließend
verbrachte Er auf Bitten Seiner
Vettern und anderen
Verwandten noch einige weitere Monate
in Hastinapura.
König Yudhisthira und seine Brüder hätten es am liebsten
gesehen, wenn Sri Krsna Hastinapura nie mehr verlassen
hätte. Trotzdem gelang es Krsna,
vom König die Erlaubnis zur Rückkehr zu bekommen, und so begab Er Sich
zusammen mit Seinen Königinnen und Ministern auf den
Weg nach Dvaraka.
Die Geschichte von Jaya und Vijaya,
die von den
Vaikuntha-Planeten in die materielle Welt
herabfielen,
wird im Siebten Canto des
Srimad-Bhagavatam erzählt,
und die Begebenheit von Sisupalas
Tod steht in direkter
Beziehung dazu. Die wichtigste Lehre jedoch, die wir aus
dieser Begebenheit ziehen können, ist die, daß Krsna, die
Höchste Persönlichkeit Gottes, aufgrund Seiner absoluten
Stellung jedem Befreiung gewähren kann
- ob man nun
als Sein Feind oder als Sein Freund handelt. Es ist also ein
Irrtum zu glauben, der Herr habe zu manchen Lebewesen
eine
freundschaftliche
und zu
anderen eine
feindschaftliche Beziehung. Sein
feindschaftliches oder
freundschaftliches Verhalten befindet sich
stets auf der
absoluten Ebene,
auf der es
keine materiellen
Unterscheidungen gibt.
Als König Yudhisthira nach dem
Opfer sein Bad
genommen hatte und wieder bei den
gelehrten Weisen
und brahmanas stand, erschien er mit solcher Schönheit,
daß er dem König des Himmels glich. Er beschenkte alle
Halbgötter, die an dem yajna
teilgenommen hatten, mit
reichen Gaben, und als
die Halbgötter, die äußerst
zufriedengestellt waren, sich entfernten,
lobten sie die
Taten des Königs und verherrlichten Sri Krsna.
Als Sukadeva Gosvami erzählte, wie Krsna
Sisupala
tötete und wie Maharaja Yudhisthiras
rajasuya-yajna
erfolgreich durchgeführt wurde, wies er darauf hin, daß es
nach der glücklichen Beendigung des
yajna nur eine
Person gab, die nicht zufrieden war, nämlich Duryodhana.
Duryodhana war von Natur aus sehr
neidisch, denn er
führte ein äußerst
sündhaftes Leben; er
war in der
Kuru-Dynastie als die Personifikation der
chronischen
Krankheit erschienen, die die gesamte
Familie zerstören
sollte.
Sukadeva Gosvami versicherte Maharaja Pariksit,
daß
die Erzählungen von Sri Krsnas Spielen,
wie das Töten
von Sisupala und Jarasandha und die
Freilassung der
gefangenen
Könige,
völlig transzendentale
Klangschwingungen seien und daß jeder,
der sie von
autorisierten Personen höre,
augenblicklich von allen
sündhaften Reaktionen seines Lebens befreit werde.
Hiermit
enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum 73. Kapitel des Krsna-Buches:
"Die Erlösung Sisupalas".